Abc-Schütze erschießt Mitschülerin

6-Jähriger im US-Bundesstaat Michigan tötet vor den Augen seiner Klassenkameraden

Washington (taz) – In Mount Morris im Bundesstaat Michigan hat ein Erstklässler vor den Augen seiner Klassenkameraden ein 6-jähriges Mädchen erschossen. Klassenkameraden berichteten, dass sich die beiden Kinder der Grundschule auf dem Schulhof am Vortag gezankt hatten. Wo der Junge die Waffe her hat, wird zur Zeit untersucht. Sie gilt als gestohlen. Der Junge, dessen Vater im Gefängnis sitzt, wohnte bei seinem Onkel und seiner Mutter.

Der Schüler ist damit der jüngste Schütze in einer Serie von Schulschießereien, die in Arkansas, Colorado und Oregon Blutbäder angerichtet und heftige Diskussionen um Waffenbesitz, Schulsicherheit und Jugendgewalt ausgelöst hatten. Die beiden Jungen, die 1998 in Jonesboro, Arkansas, fünf Schulkameraden niedergeschossen hatten, waren 11 und 13. 1994 hatte ein 10-Jähriger einen Fünftklässler erschossen, nachdem er von ihm gehänselt worden war, und 1996 wurde in Newark, New Jersey, einem 6-Jährigen in der Schule eine 9-Millimeter-Pistole abgenommen.

Präsident Clinton nahm auf einer Veranstaltung in Florida zu dem tragischen Vorfall Stellung. Es sei höchste Zeit, dass der Kongress Gesetze verabschiedet, die den Einbau von Sicherheitsschlössern bei Handfeuerwaffen vorschreiben: „In den USA werden bei Unfällen mit Schusswaffen neunmal mehr Kinder getötet als in den 25 größten Ländern der Welt zusammengenommen.“

Der Staatsanwalt von Genesee County sagte, der Junge könne nicht strafrechtlich belangt werden. Er sei zu jung, um zu verstehen, was er getan hat. Vor ein paar Jahren habe er erfolgreich in Flint einen Erwachsenen angeklagt, dessen Gewehr ein 6-Jähriger gefunden und damit beim Spiel einen 4-Jährigen getötet hatte.

Zurzeit konzentriert sich die Untersuchung darauf, herauszufinden, wo die Waffe herkam und wie sie in die Hände des Abc-Schützen geraten konnte. Mount Morris gehört zum suburbanen Ring um die Autostadt Flint, die von Werksschließungen und aufgegebenen Läden sowie leerstehenden Häusern gezeichnet ist und einen völlig verwahrlosten Eindruck macht. In Flint ist die Kriminalität hoch, Mount Morris sollte für viele seiner Einwohner eine Zuflucht aus der urbanen Wüste Flints sein. Michigan hatte vor kurzem Aufsehen mit der Verurteilung eines 13-Jährigen erregt, der wie ein Erwachsener wegen Mordes an einem 18-Jährigen angeklagt und verurteilt wurde. Der Junge war elf, als er die Tat beging. Bei der ersten Verhandlung reichten seine Beine von der Anklagebank nicht bis auf den Boden.

Peter Tautfest