Setzt die Stadt Millionen in den Sand?

■ Die Stadt zieht das Waldau-Theater bei den Verhandlungen um den Verkauf der Spielstätte über den Tisch. Offenbar geht es um die Rettung nicht abgesicherter Investitionen in Millionenhöhe

Die Verhandlungen über den Verkauf der Spielstätte des finanziell angeschlagenen Waldau-Theaters an die stadteigene Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) drohen zu scheitern. Ohne Ergebnis und im zunehmend frostigen Klima, ist aus gut informierten Kreisen zu hören, sind gestern und vorges-tern Gespräche zwischen der Waldau-Geschäftsführung, der BIG und den beteiligten Ressorts Wirtschaft und Kultur über das BIG-Kaufangebot in Höhe von 1,9 Millionen Mark verlaufen. Der Waldau-Forderung nach einem deutlich höheren Kaufpreis, der dem Theater nach Begleichung seiner Verbindlichkeiten ein finanzielles Polster von etwa 400.000 Mark für die nächste Zukunft sichern soll, wird von allen anderen Verhandlungspartnern kategorisch abgelehnt. Damit droht dem Theater doch der im Januar noch abgewendet geglaubte Konkurs. „Wir lassen das Theater vor die Wand fahren und kaufen die Immobilie dann aus der Konkursmasse“, ist aus dem Kreis der an den Verhandlungen beteiligten Stadtvertretern bereits zu hören.

Ob diese Strategie allerdings dem Steuerzahler zu vermitteln ist, ist mehr als fraglich. Wie aus einem internen, der taz vorliegenden Papier der Kulturbehörde mit dem Titel „Worst Case-Szenario“ des Waldau Theaters hervorgeht, hat insbesondere das Wirtschaftsressort in den letzten Jahren Millionensummen in das Gebäude inves-tiert, die bei einem Konkurs verloren gingen. Pikant daran ist, dass das Gebäude im Besitz der Waldau-GmbH ist, das Ressort also enorme Steuergelder in eine private Immobilie gesteckt hat. Dabei wurde seitens des Ressorts offenbar versäumt, diese Investitionen vertraglich etwa durch Grundbucheintragungen abzusichern. Daher heißt es in dem Papier: „Die Absicherung der von Bremen vor allem von dem Senator für Wirtschaft und Häfen für Proberäume der Kammerphilharmonie in dem Gebäude in Höhe von 4 Millionen Mark bezuschussten Investitionen erscheint fraglich.“ Zur Rettung dieser Investionen empfiehlt das Papier daher den Kauf der Liegenschaft. Denn wenn das Theater ins Insolvenzverfahren gehen müsste, könnten Mitbieter den Kaufpreis für die Stadt in die Höhe treiben. Und: „Die Suche nach Schuldigen (für die Insolvenz, Anm. d. Red.) träfe auch die Bremische Verwaltung“, heißt es unmiss-verständlich in dem Papier.

Nach Insiderinformationen belaufen sich die Investitionen der Stadt in das Gebäude im Laufe der Jahre sogar auf mindestens sieben Millionen Mark. Knapp zwei Millionen Mark soll vor wenigen Jahren der Bau einer Werkstatt gekos-tet haben. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Summen für diverse Instandhaltungskosten. Trotz permanenter und jahrelanger Hinweise aus der Kulturbehörde, dieses Vorgehen sei rechtlich bedenklich, soll die Leitung der Kulturbehörde wissentlich eine angemessene Regelung dieser Zustände verschlampt haben, heißt es.

Vor diesem Hintergrund bekommt das Engagement der Stadt für das angeschlagene Theater einen seltsamen Beigeschmack. Weniger die Sanierung des Theaters als vielmehr die Rettung der durch nichts abgesicherten Millionen steht im Vordergrund. Dabei scheut die Stadt anscheinend auch nicht davor zurück, die Liquiditätsnot des Waldau-Theaters auszunutzen. Denn das Kaufpreisgebot von 1,9 Millionen Mark liegt deutlich unter dem durch ein Sparkassengutachten bestätigten Verkehrswert der Immobilie von mindestens drei Millionen Mark. Hinzu käme noch ein Anlagevermögen von mehreren Millionen Mark. Stattdessen sieht der BIG-Vertrag, der der taz in Auszügen vorliegt, die Anrechnung eines Darlehens von 950.000 Mark vor, das die Stadt 1992 einem der beiden Gesellschafter der Waldau GmbH gewährt hat. Nach Angaben von Juristen ist das aber unzulässig, da die GmbH nicht für die Schulden des Gesellschafters haftet. Außerdem im wundersamen Wertminderungsprogramm der Stadt: die Mehrkosten von 721.229,67 Mark für den Probebühnenbau der Kammerphilharmonie. Diese Summe will die Stadt vom Kaufpreis abziehen. Laut BIG-Vertrag sind diese Mehrkosten aber „beim Wirtschaftsressort geltend gemacht und von dort anerkannt worden“. Einen Teil der investierten Millionen will sich die Stadt wohl auf diesem Weg zurückholen. Franco Zotta