Ah, Ah, Ah, Armani

Mary Harrons Verfilmung von „American Psycho“ (Wettbewerb) verbannt den Terror der Zeichen ins Dekor ■ Von Harald Fricke

In den besten Tagen der Achtzigerjahre war alles Zeichen, Reklame, Marke, Stil. Darin war zugleich der Widerspruch angelegt: einerseits der unentwegte Konsum mit seinem Appetit auf immer Neues, zum anderen der Wunsch, das daran gebundene Glücksgefühl auch aus wirtschaftlichen Gründen möglichst lange haltbar zu machen. Das Geld muss fließen. Die Gleichzeitigkeit von Verschwendung und Ökonomie wurde zum Problem der Eighties, zumindest im Westen.

Seit damals scheint die Zeit irgendwie stillzustehen. Deshalb hat man heute auch das Gefühl, es hätte sich nur wenig geändert: Hier ein bisschen Werbung für die Unterhosen von Calvin Klein, dort die neue U2-CD, dazu Lachshäppchen in Edellokalen, Maßanzüge, Sonnenbrillenschick – und immer wieder Ah, Ah, Ah, Armani, wie es bei den Pet Shop Boys heißt. Insofern kommt die Verfilmung von Bret Easton Ellis' „American Psycho“, 1991 als Extrakt und Rückblick auf diese 80er geschrieben, weder zu spät noch zu früh. Sie ist einfach nur Teil dieser Zeitschleife aus Haben- und Haltenwollen.

Der Umstand, dass „American Psycho“ vom eingefrorenen Moment des Zeitgeists handelt, in dem das Leben selbst seziert und eingefroren wird, hat Mary Harron bei der Realisierung des Films enorm geholfen. In seiner kalten Detailfreude zwischen akribischer Recherche und paranoidem Weltbeschreibungswahn ist Ellis mit der Vorlage ja selbst schon der Drehbuchautor par excellence. Harron musste im Prinzip nur noch nachstellen, was Ellis an Material aufgelistet hat: So kann sie ohne große Änderung im Skript die Yuppie-Dialoge aus dem Buch einfach in hübsch ausgestattete SoHo-Restaurants übertragen oder Patrick Bateman unter der Dusche über Dutzende von Peelingcremes meditieren lassen, exakt wie es im Original nachzulesen steht. Zugleich musste ihr aber die Besessenheit des Autors zum Verhängnis werden: Wie soll man das minutiös abgefeierte Tagewerk eines Massenmörders abbilden, der Frauen wie Vieh ausweidet?

All das zeigt Harron nicht, wohl auch weil Hollywood seine Filme lieber im Kino sieht als auf dem Index. Stattdessen zeichnet die Filmemacherin wie schon in „I shot Andy Warhol“ die Atmosphäre nach, in der Bateman seine bestialischen Verbrechen begeht. Dann dampft es unten am Fischmarkt von Manhattan, und die Nutten sehen müde aus. Die exzessiven Gewaltbilder von Ellis werden bei Harron nicht angedeutet oder ausgeblendet. Sie brechen ab, mit dem wortwörtlichen Cut aus dem Schneidestudio. Auch dieser Schnitt tut weh, zumindest in der Vorstellung, was zwischen den Bildern passieren könnte.

Dabei ist „American Psycho“ im Film zunächst eine Karikatur der Verhältnisse von vor 13 Jahren. Die schwatzhaften Broker, die öden Blondinen auf Lithium und Xanax, die Koksorgien auf Disko-Toiletten – alles wirkt aus der Distanz wie ein verkicherter Spät-Teenie-Traum. Selbst als Bateman erstmals zur Axt greift und dabei über den Mainstream-Rocker Huey Lewis philosophiert, bleibt die Gewalt ein burleskes Spiel mit Regenmantel und Konservenblut. Dass die Übersteigerung funktioniert, liegt vor allem an Christian Bale, der Bateman offenbar nicht bloß spielen wollte, sondern ihn im De-Niro-Stil verinnerlicht hat. Wobei innerlich hier auch körperlich meint: Immerhin musste Bale sich für „American Psycho“ zu einer muskulösen Kampfmaschine hochtrainieren. Spätestens wenn er beim Sex erregt seinen Body im Spiegel betrachtet, weiß man, wozu Körper im Film gemacht sind: zum Zuschauen.

Tatsächlich ist die Schilderung der Wirklichkeit in „American Psycho“ jedoch selbst schon von zig Ambivalenzen überlagert. Ellis ist dermaßen beschlagen, dass seine filmhafte Beschreibung des Lebens von Patrick Bateman den perfekten Rahmen dessen abgibt, was er im Roman an Psychologie herausarbeitet. Seine Gewaltfantasien sind die Überzeichnung von billigem Splatter, dessen Realisierung Bateman selbst wieder auf Video festhält. Bateman ist eine durch und durch medial konstruierte Existenz – nicht Zeichen des Terrors, sondern Terror aus Zeichen, so wie die 80er eben.

An diesem Punkt ist Harron an der Darstellung gescheitert. Sie hat das Buch unterschätzt, weil sie sich von dessen visueller Übersetzbarkeit allzu schnell hat überzeugen lassen. Tatsächlich funktioniert „American Psycho“ ebenso gut ohne Bilder: Die endlose Aufzählung von Markenprodukten ist dann nur mehr ein Stück Konzeptkunst, den fortlaufenden Tagesmarkierungen eines On Kawara vergleichbar. Harron verbannt diese unentwegte Wiederholung der Codes aus dem Geschehen an den Rand, ins Dekor. So hängen im Flur Allan McCollums „schwarze Quadrate“, die er als Malewitsch-Zitat tausendfach kopiert hat. Weil sich aber Leben in „American Psycho“ gerade aus solchen kulturellen Instant-Images zusammensetzt, bleibt Harrons Vision sehr blass. Sie zeigt die Realität nicht als Kaleidoskop des Bösen, sondern als dessen trist-alltägliches Passstück. Erst wird gefeiert, dann getötet, danach kommt nichts mehr. Im Buch liest sich dieses Nichts als Verzweiflung und New-Wave-Dostojewski. Dem Film bleibt nur ein fahler Showdown mit Hubschraubern, explodierenden Polizeiautos und der Erkenntnis, dass sich hinter der Maske des serienkillenden Börsianers kein Ich mehr verbirgt. Dann zeigt die Kamera noch einmal Batemans Mund. Er ist geschlossen.„American Psycho“. Regie: Mary Harron. Mit: Christian Bale, Willem Dafoe. USA, 102 Min. Heute, 19. 2., 21.30 Uhr, Royal-Palast