■ Auch nach Schäuble-Rückzug ist der CDU-Neuanfang fern. Jetzt beleuchtet der Untersuchungsausschuss den Fall Elf Aquitaine – des Ölmultis, der auch in Afrika bestens verstand, französische Interessen durchzusetzen
: Noch kein Anfang vom Ende

Überall wird in der Union der „Neuanfang“ zitiert. Gerade so, als könne mit dem Abtritt Wolfgang Schäubles das Trauma von der CDU-Finanzaffäre begraben werden. Dabei fängt das Trauma – je nachdem, was der parlamentarische Untersuchungsausschuss ans Licht bringen wird – jetzt erst richtig an. Es bleibt die bohrende Frage, was passiert mit der CDU, wenn sich herausstellt, dass in der Regierungszeit von Helmut Kohl politische Entscheidungen über Schmiergelder beeinflusst wurden? Zum Beispiel bei der Privatisierung der ostdeutschen Raffinerie Leuna.

Die Chancen, dass der gestern tagende Untersuchungsausschuss mehr in Erfahrung bringen kann, steigen. Denn erstmals ermittelt eine deutsche Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Leuna-Privatisierung, und somit kann auch der Ausschuss Akten von der französischen Justiz erhalten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg verdächtigt nach Informationen des WDR-Magazins „Monitor“ den Sohn von Franz Josef Strauß, Max Strauß (CSU), 400.000 Mark von der Firma Delta International Establishment des Leuna-Unterhändlers Dieter Holzer gewaschen zu haben. In einem Vermerk des Bundesjustizministeriums heißt es: „Die Gelder sollten als Schmiergelder für deutsche Entscheidungsträger beim Verkauf der Leuna-Werke an Elf verwendet werden.“

Doch wieso soll Leuna bis zu 80 Millionen Mark Schmiergelder gezahlt haben, um einen maroden Raffineriekonzern zu kaufen? Gutachter hielten eine Privatisierung von Leuna 1990 für unrealistisch. Doch Kohl hatte Leuna zusammen mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand zur Chefsache gemacht.

Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher sieht durchaus finanzielle Gründe für Bestechung: „Elf hat einen Wert von 4,6 Milliarden Mark für eine Milliarde Mark Eigenkapital erworben“, schätzt er. Eine andere Erklärung für das große Interesse des Elf-Konzerns könnte in der „Geschäftspolitik“ des Staatskonzerns Elf liegen (siehe Seite 3). So wie es Elf in den ehemaligen Kolonien verstand, die politischen Interessen Frankreichs hemmungslos durchzusetzen, wäre es nicht abwegig, dass Elf in der ostdeutschen Raffinerie einen strategisch günstigen Brückenkopf nach Osteuropa gesehen hat.

Merkwürdigkeiten gibt es bei der Privatisierung der Leuna-Werke viele. Sie beschäftigen seit langem die Justiz in Frankreich und der Schweiz: So ermitteln die Schweizer gegen den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Dieter Holzer. Holzer nahm als Vermittler an den Gesprächen zum Leuna-Verkauf teil. Über seine Konten sollen im Zusammenhang mit der Privatisierung Schmiergelder in Millionenhöhe geflossen sein. Als dessen Helfershelfer bezeichnet der Genfer Untersuchungsrichter Paul Perraudin den Ex-Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep, Ex-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl, Sachsen-Anhalts ehemaligen Ministerpräsidenten Werner Münch, Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause und die Ex-Staatssekretärin Agnes Hürland - Büning (alle CDU).

Bei einer hochkarätig besetzten Besprechung im Kanzleramt am 13. Juli 1992, bei der es um die Finanzierung für Leuna ging, nahm auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident und Ex-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ludwig Holger Pfahls, teil. Er arbeitete längst bei Daimler-Benz, sprach im Kanzleramt aber für Elf Aquitaine. Pfahls wird von Interpol mit Haftbefehl gesucht. Er soll auch einer der beiden Ex-Staatssekretäre sein, die im Zusammenhang mit dem Leuna-Verkauf Geld von der Schweizer Elf-Niederlassung erhalten haben sollen. Die zweite ist die Kohl-Vertraute Agnes Hürland-Büning, die von Thyssen und Holzer mehr als acht Millionen Mark Beraterhonorare kassiert haben soll.

80 Millionen Mark waren es in der Tat, die nach den Ermittlungen der französischen Justizbehörden Elf auf ein Genfer Konto des dubiosen französischen Geschäftsmannes André Guelf überweisen ließ, um „Lobbying Arbeit“ in Sachen Leuna zu leisten. Wie der französische Elf-Vermittler Le Blanc-Bellevaux bei einer Vernehmung aussagte, soll ein Teil des Geldes nach Deutschland gegangen sein. Die CDU muss schon über ein enormes Verdrängungspotenzial verfügen, um angesichts einer solchen Fülle unbeantworteter Fragen ernsthaft von einem Neuanfang zu sprechen.Karin Nink