Explodierender Leichnam

Ein Traum, vielleicht? DieRächer-Fantasie „Monday“ im Forum

Dem Helden in dem Film „Monday“ geht es am Montagmorgen in seinem Hotelzimmer so ähnlich wie einem selbst, wenn man morgens während der Filmfestspiele aufwacht und ein paar Momente braucht, bis man sich notgedrungen dazu entschließen muss, man selbst zu sein und nicht der, der eben grad noch so existenzialistisch zwischen extrem entschlossenen Gangstern in extrem schicken Luxusautos in elegantem Kugelregen durch das blaustichige Hongkong von Johnnie To rannte. Schade, dass man man selbst ist.

Ein schüchterner Angestellter – schlank, Mitte dreißig, Brille, Anzug – entdeckt, dass er ein anderer ist. Er hat sein Gedächtnis verloren, wie so viele Berlinale-Helden in diesem Jahr. In seinen Taschen findet er Dinge, die seine Erinnerung wieder wach werden lassen: Das geisterbannende Reinigungssalz erinnert ihn an eine völlig groteske Beerdigungsfeier, bei der er irgendwann den toten Freund aufschneiden musste, um dessen Herzschrittmacher zu entfernen, weil der ansonsten explodieren würde. Der Leichnam explodiert auch so.

Allein deswegen ist „Monday“ großartig. Doch in der Erinnerung des Angestellten gibt es noch viel wildere Dinge: betörend schöne Frauen in glitzernden Yakuza-Bars, Gangsterbosse, auf deren Visitenkarten „Gang Boss“ steht, Schnaps, den er unaufhörlich in sich hineinschüttet, ein Gewehr, mit dem er als durchgedreht lächelnder Rächer durch die Straßen zieht. Leichen säumen seinen Weg. Alles war tatsächlich so, das beweisen die Patronenhülsen in seiner Hosentasche, und im Fernsehen diskutiert man seinen Fall. TV-Teams stehen vor seinem Hotel und berichten live. Spezialkommandos der Polizei versuchen, ihn lebend zu fangen. Vielen wird das zum Verhängnis.

In der vielleicht tollsten Szene von „Monday“ steht der Held mit einer Geisel vor dem Hotel und hält eine pazifistische Rede, die alle mitreißt – tausend Polizisten werfen ihre schwarzen Strumpfmasken von sich, lassen ihre Waffen sinken, umarmen einander glücklich lachend wie Wölfe und Schafe, die nun endlich ihre Vorurteile abgelegt haben.

Nach dem Film steht Regisseur Sabu vor dem Kino, umringt von japanischen Autogrammjägern. Ich denke, ich träume, und frage ihn nichts. Dann träumte ich von Ulrich Gregor, wie er bei einem Gespräch auf der Delphi-Bühne ein spiegelblankes Gewehr aus seiner Aktentasche nimmt, es langsam zusammensetzt und dabei immer so komisch gewinnend lächelt ... Detlef Kuhlbrodt„Monday“. Regie: Sabu. Mit Shinichi Tsutsumi, Yasuko Matsuyuki. Japan, 100 Min. Heute, 14 Uhr, CineStar8, 18. 2., 22 Uhr, Arsenal, 19. 2., 19 Uhr, Babylon