Auf ewig dich

■ Wieder im Revier: Tim Fischers letztes Gastspiel im Jungen Theater zu Bremen

Beim Abschiedsmarathon des Jungen Theaters in der Friesenstraße darf Chanson-König Tim Fischer natürlich nicht fehlen. Und wenn man den Raum betritt, weiß man auch warum. Der ist bis an die Grenze des feuerpolizeilich Erlaubten voll. Die Stimmung ist fiebrig, da sitzen sie und warten, als würde gleich der Weihnachtsbaum angezündet.

Das Mikro funktioniert nicht. Nimmt er eben das andere. „Guten Abend“. Und schon hat er alle auf seiner Seite. Da wird gekichert, getuschelt und heftig applaudiert. Die Atmosphäre hat schon nach Sekunden etwas Intimes. Das Publikum genießt die Nähe zum extrovertierten Star. Und er genießt von der Bühne runter zurück. Die erblondeten Haare zum Zopf gebunden, steht er da. In Anzug und Krawatte. Und singt seine tragisch-komischen Chansons im Stil der französischen Tradition wie der Couplets der Zwanzigerjahre.

„Träume sind das Leben“, heißt es in dem Lied von der fiktiven Freundin Barbara. Wie gehabt inszeniert Fischer das Singen. Will sagen: Er spielt den, der das singt. Mehr noch als bei früheren Gastspielen wird deutlich, dass er eine Kunstfigur erschaffen hat, die den ganzen Kram zum Besten gibt.

Perfekt arrangiert, gewiss. Aber ohne wirkliche Überraschung. Der ausgezeichnete Pianist Thomas Dröschel spielt mal romantizis-tisch, mal in einer Walzer- oder Marschparodie voranschreitend, mit Tempi und Klangfarben. Stimme und Musik könnten einander umschmeicheln, könnten sich wie die Figuren in den Liedern abrupt voneinander wegstoßen, um sich dann wieder in den Armen zu liegen. Doch wird das Arrangement allzu sehr von Fischers Gesang dominiert. Darunter leiden sowohl die feinen Pianominiaturen als auch die Texte. Als traute er ihrer Qualität nicht wirklich, illustriert Fischer stimmlich, mimisch und gestisch jede Pointe. Andererseits: Genau dafür wird er ja schließlich geliebt.

Hälfte zwei bestreitet der Sänger mit offenen Haaren und im paillettenbesetzten Kleid. Doch wirkt sein Spiel mit Männer- und Frauenrollen halbgar. Kaum brüchig und ohne irritierende Zwischentöne zieht er sein Programm durch. Es ist ein wenig wie bei Lesungen von, sagen wir: Max Goldt. Auch da wird die Bösartigkeit aufgefressen von der Vereinbarung zwischen Künstler und Publikum, heute gemeinsam richtig lustig zu werden. Schlaue Texte wie in der Ballade von der kleinwüchsigen lesbischen Krankenschwester, die sich mittels einer Zigarette im Bett selbst richtet, verlaufen so im Sande.

Gegen Ende wird's dann rührend. In einen an Elvis' Schicksal orientierten Song über die Verzweiflung des alternden Stars baut er eine Hommage an's Junge Theater und gute Wünsche für die Zukunft ein. Und die einzig gelungene Pointe gelingt beim schwülstigen Lobgesang auf eine Bettgeschichte, bei der sich der sexuell überdeterminierte Andere doch nur als eine „phallische“ Aspirindose entpuppt. Tim Schomacker

Fischers mehrtägiges Gastspiel ist bereits restlos ausverkauft