„In die Diskussion hineingezwungen“

Albin Dannhäuser, Chef des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, unterstützt das Volksbegehren „Die bessere Schulreform“: „Wir sind froh, wenn überhaupt etwas besser wird“

taz: Kann man mit zehn Jahren schon eine relativ gesicherte Prognose für die Schullaufbahn geben?

Albin Dannhäuser: Nein, grundsätzlich ist in diesem Alter überhaupt keine sichere Vorhersage über den künftigen Schulerfolg möglich. Einige Wissenschaftler meinen aber, dass mit gewissen Vorbehalten etwa 20 Prozent des Jahrgangs so weit entwickelt sind, dass man gute Vorhersagen treffen kann.

Warum sind Sie dann nicht so konsequent und fordern im Volksbegehren eine Aufbaustufe für alle Kinder?

Wir fordern einen gestaffelten Übertritt, weil wir diesen Prozentsatz der Kinder, bei denen man solche Prognosen treffen kann, nicht aufhalten, aber umgekehrt den anderen eine weitere Chance geben wollen. Wir verfechten einen pragmatischen Kompromiss, der den Kindern gerecht wird, aber auch der Geschichte des bayerischen Schulwesens.

Sie hätten mit einem Volksbegehren die Chance, das streng dreigliedrige Schulwesen in Bayern frontal anzugreifen. Sie tun das aber nicht. Angst vor der eigenen Courage?

Nein. Es war nie Programm unseres Verbandes, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen und eine Gesamtschule einzuführen. Wir wollten immer die Schulwege möglichst lange offen halten. Wir sind keine Dogmatiker, sondern sind geprägt von pragmatischer Toleranz.

Warum geht die Toleranz so weit, dass Sie Ihre ureigensten Forderungen nach kleineren Klassen, mehr Lehrern oder Integration Behinderter in die Normalschulen aus dem Volksbegehren außen vor lassen?

Die Forderungen nach kleinen Klassen ist indirekt im Volksbegehren mit der Formulierung enthalten, dass mit dem Geld, das man für die sechsstufige Realschule einsparen könnte, für alle Schüler aller Schularten kurzfristig sehr viel tun könnte. Bei der Integration Behinderter haben wir das Problem, dass, wenn wir das offensiv ins Volksbegehren gestellt hätten, wir dieses kostenmäßig nicht hätten berechnen können. Dann wäre das Volksbegehren nicht zugelassen worden. Wir dürfen durch ein Volksbegehren das Gesamtbudget des Haushalts nicht um mehr als 0,07 Prozent verändern. Das sind extrem enge Grenzen.

Gibt es nichts Wichtigeres als strukturelle Veränderungen der Schule? Es müsste doch um neue Lerninhalte oder neue Formen der Lehrerausbildung gehen.

Sie haben recht. Wir bräuchten viel mehr Grips und Kraft, die innere Reform voranzutreiben, das bedeutet nicht nur die Entrümpelung von Lehrplänen, sondern das Lernen des Lernens oder die Fähigkeit zur Teamarbeit. Leider konzentriert sich alles auf Strukturreform. Wir wurden in diese Diskussion hineingezwungen, weil durch die Strukturveränderung an der Realschule vieles andere, was pädagogisch notwendig gewesen wäre, verhindert wird. Wie will ich zum Lernen des Lernens hinführen, wenn es nur auf zwei, drei Noten ankommt?

Sie nennen sich „Die bessere Schulreform“. Laufen Sie nicht automatisch Gefahr, mit dem Titel „Die beste Schulreform“ von der CSU ausgekontert zu werden?

Nun ja, das sind doch Sprachspielchen ...

... die, siehe CSU-Plakate, schon gemacht werden.

Das ist eine Frage der politischen Propaganda. Jeder will für die Kinder das Beste. Wir sind aber schon froh, wenn es einmal überhaupt besser wird.

Interview: Bernd Siegler