Lizenz zum Weiterverschmutzen

Vor der diesjährigen Klimakonferenz üben Länder und Konzerne den Handel mit Rechten für den Treibhausgas-Ausstoß. Die Weltbank mischt munter mit ■ Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – Ob Kuhrestluft, gasblubbernde Reisfelder oder rauchende Schornsteine – Gase wie CO2, Methan, SO2 müssen reduziert werden, weil sie zum Treibhauseffekt beitragen oder Boden und Wasser schädigen. Freiwillig wird allerdings kaum ein Bauer oder Fabrikbesitzer verzichten, also haben sich Experten an eine menschliche Lieblingsbeschäftigung erinnert: den Handel.

Die Idee bei diesem Handel mit Emissionsrechten, wie er im 1997 aufgestellten Kioto-Protokoll der Klimarahmenkonvention vorgeschlagen wurde, ist, Ländern, Städten oder Firmen Emissionshöchstgrenzen aufzuerlegen, ihnen aber freizustellen, wie sie diese Grenzen einhalten oder gar unterbieten. Gehandelt werden kann zwischen Firmen, im eigenen Land, zwischen In- und Ausland. Spart eine deutsche Investorenfirma etwa durch entsprechende Maßnahmen im Ausland dort CO2 ein, kann sie sich das anrechnen lassen und sich dadurch die eigentlich teuren Verbesserungen in den heimischen Anlagen erst einmal „ersparen“.

Umweltschützer wie das internationale Bündnis Climate Action Network (CAN) sehen ein großes Defizit bei dem Mechanismus, den sie für unausgereift und nicht ausreichend halten. Trotzdem ist der Markt eifrig dabei, erste Erfahrungen zu sammeln.

In den USA funktioniert der Handel intern seit 1995 bei Schwefeldioxid. Unter dem US-amerikanischen Luftreinhaltegesetz wird eine massive Reduzierung der SO2-Emissionen auf das Niveau von 1980 angestrebt, das waren damals acht Millionen Tonnen. Dazu wurden an die 445 größten Dreckschleudern der elektrischen Versorgungsbetriebe jährliche (sinkende) Emissionsrechte vergeben. Nach 1996 gebaute Firmen erhalten keine Rechte.

Innerhalb kurzer Zeit entdeckten die Firmen, dass sie ungenutzte Rechte lukrativ über die Börse in Chicago handeln können – zum Beispiel, indem sie sie an die neuen Firmen oder an Umweltschützer verkaufen, die Zertifikate vom Markt ziehen wollen.

Aber nicht nur die USA probieren sich in dem Handel mit den Drecksrechten. In Voraussicht auf eventuelle gesetzliche Vorgaben durch das Kioto-Protokoll sondieren auch einzelne multinationale Konzerne die Möglichkeiten. So hat der Öl-Multi Royal Dutch Shell mit einem firmeninternen Emissionshandel begonnen, bei dem Unternehmensteile in verschiedenen Ländern Zertifikate handeln. Ziel: die CO2-Emissionen langfristig zu reduzieren. Auch international gibt es seit wenigen Tagen eine Initiative: Die Weltbank finanziert mit ihrem „Protoype Carbon Fund“ (PCF) seit dem 18. Januar emissionsarme Projekte in Entwicklungsländern. Als Erstes geplant ist ein Energieprojekt in Lettland. Die eingesparten Emissionen sollen den in den PCF einzahlenden Firmen gutgeschrieben werden.

Der Euphorie, die die Befürworter dieses Mechanismus ausstrahlen, steht harsche Kritik von Umweltschützern gegenüber: Wer im Ausland Emissionen einspart, aber zu Hause weiter oder gar mehr verschmutzt, hat letztlich nichts getan. Außerdem ist der Streit um die Messbarkeit von Emissionen noch lange nicht geklärt, ebensowenig wie eine Obergrenze, die für den Schutz von Klima, Boden und Wasser wirklich notwendig wäre.

Entscheidend für viele dieser Fragen wird die nächste Klimakonferenz in Den Haag im kommenden Herbst sein. Dort sollen die Regeldetails des Handels festgelegt werden. Bisher haben sich trotz bombastischer Treffen besonders die EU und die USA nicht einigen können: Während die USA am liebsten unbegrenzt im Ausland Emissionen einsparen und sich den Bonus anrechnen lassen wollen, beharren die Europäer auf einer Obergrenze, um auch Verbesserungen bei denen einzufordern, die, indische Kühe und Reisfelder hin oder her, für die meisten Emissionen verantwortlich sind: die Industrieländer.