Weder Isolation noch Appeasement sind geeignet: Haider ist der Test für die künftige Auseinandersetzung mit rechten Kräften
: Haider ist kein Hansel

Wo Haider der Triumph verwehrt bleibt, zeigt er die Wut des Narzissten

Also lieber doch nicht mit Jörg Haider sprechen und sich vorführen lassen wie in den jüngsten Talksshows? Besser in sicherer Fundamentalverweigerung Schutz suchen? Nach dem Talk-Show-Down vom Wochenende erwies sich Haider einmal mehr als geschickter Rhetoriker, als fescher „feschistischer“ Christen-Rabulist sozusagen. Soll man also besser Reißaus nehmen?

„Ich sag’ Ihnen ganz einfach“, ist einer seiner Lieblingssprüche, mit denen er die Welt und die eigene Unschuld erklärt. Doch so einfach, wie die gegenwärtige Schwarzweißdebatte suggeriert, wird der langfristige Umgang mit Jörg Haider nicht werden. Für das ganz Einfache ist bereits Haider zuständig – man wird sich mehr und Besseres einfallen lassen müssen.

Diese Hilflosigkeit, die sich im Umgang mit dem Austro-Feschismus zeigt, ist nicht neu: Soll man bierduselige DVU-Leute rechts liegen lassen? Intelligenten Neofaschisten ein Forum bieten? Le Pen, Fini, Vlaamse Blok oder die skandinavischen Faschisten, es geht nicht bloß um einen Kärtner Landeshauptmann. Ein grundsätzliche Dilemma ist angesprochen: Isoliert man die Rechtsextremen, so werden sie sich in typischer Larmoyanz aufwerfen und wegen der scheinbar arroganten Ungerechtigkeit der Etablierten weitere Sympathien bei Wählern gewinnen. Diskutiert man aber mit ihnen, werden sie durch ihre populistischen Äußerungen ebenfalls erstarken. Genau diese Zwickmühle hat Jörg Haider in Österreich über Jahre gespielt und immer gewonnen.

Ein erfolgreicher rechtsextremer Protagonist repräsentiert durch und mit seiner Person dauerhafte Befindlichkeiten breiter Bevölkerungsschichten: das Gefühl der Ungerechtigkeit und der Ohnmacht gegenüber „denen da oben“ und das Bedürfnis nach Revanche. Er greift reale Missstände auf und verknüpft sie mit einem generalisierten Feindbild, meist einer Mischung aus Ausländerhass und Politikerschelte. Zusammen bildet dies das gefährliche Potenzial des Ressentiments.

Der rechtsextreme Protagonist startet seine politische Karriere stellvertretend für die vielen aus einer Position der Machtlosigkeit und der Verachtung durch das Establishment. Er schöpft seine charismatische Stärke aus der Verwandlung ohnmächtiger Unterlegenheit in allmächtige Größe. So auch Haider: Von der Weltöffentlichkeit kritisch beäugt, zur „Entzauberung“ durch deutsche Medien einbestellt, beginnt Haider, sich zu wehren. Aus der Defensive mit dem Risiko, als lächerlich klein entlarvt zu werden, gewinnt er im Kampf des Davids überlegene Stärke.

Dabei betreibt er eine charmant-aggressive Doppelstrategie. Vorhaltungen über seine vergangenen Äußerungen streitet er, wo immer möglich, freundlich ab. Damit beweist er Allmacht über das Wort und die Realität, indem er einfach Worte und Realitäten nach Gusto verdreht und ändert. Es ist der Triumph des Comic-Superhelden, der als Identifikationsfigur für alle ohnmächtig Wütenden wütet und die Begrenzungen der Realität allesamt überwindet. Haider triumphiert über den Intellekt, indem er ihn verhöhnt. Wort und Wahrheit gelten ihm nichts, da sie die Begrenzungen der Realität verkörpern.

Wo blanke Leugnung jedoch nicht mehr weiterführt, schlägt Haider aggressiv zurück. Auch hier beantwortet er Argumente nicht, löst Realitätsprüfung nicht ein. Wo ihn die Kraft der Vernunft und die Macht politischer Gegner einzuholen drohen, reagiert er mit der projektiven Wut des Narzissten: Nicht er ist ausländerfeindlich, Otto Schily ist es. Nicht seine politischen Ansichten sind abwegig, Chirac ist es, der fast alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann. Seine Gegner reagieren mit konsternierter Scham. Der Intellekt wird besiegt, indem die Verblüffung der Gegner seine Überlegenheit zu beweisen scheint. Die Allmacht des Wortes siegt über die Realität.

Wer hier nicht die Metaebene der haiderschen Argumentationsstruktur selbst thematisiert, sondern ihm bloß inhaltlich nachzujagen versucht, der wird immer verlieren. Die Unhaltbarkeit seiner Positionen und die Haltlosigkeit seiner Person offenbaren sich erst, wenn sich Jörg Haider in die Enge getrieben fühlt. Seine wütenden Ausfälle signalisieren das Scheitern seiner politisch-persönlichen Allmachtsfantasie. Wo ihm der Triumph über Realität und Vernunft verwehrt bleibt, da verliert Haider die Contenance. Es ist die Wut des Narzissten, der sich den Gesetzen von Logik und Realität beugen muss. Persönliche Pathologie und politische Abwegigkeit fallen in solchen Momenten zusammen: Der Hass trifft jene, die die Begrenzungen symbolisieren oder die Allmachtsfantasien einschränken.

Es ist der Triumph des Comic-Helden. Haider besiegt den Intellekt, indem er ihn verhöhnt

Das Handwerkszeug des Journalisten versagt, wenn man Haider lediglich zu seinen Inhalten und vergangenen Äußerungen befragt. Doch zu den Fakten zählt eben gerade die Art, wie Haider mit Fakten und Argumenten umgeht. Dass und wieso Haider auf Schily oder Chirac ausweicht, wenn er nicht weiter weiß, dies demonstriert, wie er über Vernunft und Realität zu triumphieren versucht. Man muss ihn mit seinen wütenden Ausbrüchen vorführen und genau darauf ansprechen. Haiders Allmachtsideen geraten ins Wanken, wenn sie offensichtlich werden. Sein Wüten über Begrenzungen lässt seinen Charme verblassen. Das geht jedoch nicht durch onkelhafte Belehrungen oder gleichfalls arrogante Attitüden einer Alt-Herren-Talk-Riege. Wer selbstverliebt glaubt, mit Haider ein leichtes Spiel zu haben, indem man ihn lächerlich macht oder belehrt, der ähnelt ihm in seinem Narzissmus allzu sehr. Diese Versuche selbstgerechter Demokraten, Haider zu demaskieren, bestätigen nur seine Wähler ein weiteres Mal in ihrer Empörung über die Arroganz der Mächtigen, gegen die sie Haider inthronisiert sehen wollen. Stattdessen ist es die Macht aggressiver Vernunft, die den Stil des Jörg Haider aufzeigen kann.

Die Auseinandersetzung mit Haider hat prototypischen Charakter. Künftig wird es weder in Deutschland noch europaweit mit einfachen Lösungen durch Ignorieren und Aussitzen getan sein. Die demokratisch gewählten Islamisten Nordafrikas radikalisierten sich, als sie von der Macht ausgeschlossen blieben. Wenn man sich von Haider wirklich politisch unterscheiden will, muss man ihn so ernst nehmen, wie er sich selbst nie sieht: Haider ist als politischer Führer, nicht als lächerlicher Hansel zu behandeln. Desillusionierung seiner Wähler evoziert man nur, wenn man Haiders Lösungen und seinen politischen Stil aufzeigt. Und das bedeutet am Ende, dass man Haiders Wähler ernst nimmt. Denn wo die besseren Demokraten sitzen, erweist sich erst im Respekt vor dem Wähler.

Micha Hilgers