Kohl schweigt.Die anderen singen

■ Einige Antworten, viele offene Fragen: Nach der Befragung von Weyrauch, Lüthje und Terlinden sieht sich CDU bei der Aufklärung der Affäre „großen Schritt“ weiter. Auslandskonten bereits vor 1971

Berlin (taz) – Die CDU sieht sich nach der gestrigen Sondersitzung des Präsidiums bei der Aufklärung der Spendenaffäre einen „großen Schritt“ weitergekommen, wie Parteichef Wolfgang Schäuble betonte. Gleichzeitig weigert sich Altkanzler Helmut Kohl weiterhin, die Namen der ihm bekannten Spender zu nennen. Bei der weiteren Aufklärung setzt die CDU jetzt auf die Staatsanwaltschaft.

Auf der Pressekonferenz nach der Präsidiumssitzung äußerte sich der Bundesgeschäftsführer der Partei, Willi Hausmann, zu Einzelheiten des verdeckten Kassensystems der CDU. Dies war möglich, nachdem die Parteispitze die früheren CDU-Mitarbeiter Horst Weyrauch, Hans Terlinden und Uwe Lüthje sowie auch Helmut Kohl befragt hatte. Danach hatte die CDU-Bundespartei offenbar bis 1992 schwarze Kassen auch im Ausland. Das letzte Konto dieser Art sei 1992 aufgelöst worden, so Weyrauch. Der ehemalige CDU-Bevollmächtigte Lüthje sowie der frühere Finanzberater Weyrauch hätten bei ihrer Amtsübernahme 1971 bereits Auslandskonten vorgefunden. Über sie seien Gelder der Geldwaschanlage „Staatsbürgerliche Vereinigung“ bis 1974 abgewickelt worden. Die Zusammenarbeit mit der Staatsbürgerlichen Vereinigung sei 1979 beendet worden. 1991 seien alle Unterlagen über die Vorgänge vernichtet worden.

Auf Anraten von Lüthje sei in Liechtenstein eine „Stiftung Norfolk“ gegründet worden. Die Stiftung habe 1974 bei der UBS-Bank in Zürich ein Konto mit vier Unterkonten eingerichtet. Das „Herrschaftswissen“ über das Schweizer Konto habe bei Lüthje, Weyrauch und dem damaligen CDU-Bundesschatzmeister Walther Leisler Kiep gelegen. Kiep habe jedoch gegenüber Hausmann bestritten, von dem Konto gewusst zu haben. Ende der 80er-Jahre, so Hausmann, sei das Konto reaktiviert worden. Damals habe die Firma Siemens aus München insgesamt fünf oder sechs Millionen Mark gespendet, die auf das Konto in Zürich gegangen seien. Der Konzern widersprach gestern dieser Darstellung.

CDU-Chef Schäuble und Generalsekretärin Merkel haben die Präsidiumsmitglieder der Partei gestern über die Aussagen von Weyrauch, Lüthje, Kiep und Kohl informiert. Dabei ging es um die schwarzen Konten von Ex-Bundeskanzler Kohl. Präsidiumsmitglied Norbert Blüm sagte nach der Sitzung sichtlich erschüttert zur taz: „Was ich erfahren habe, übersteigt mein Vorstellungsvermögen.“

Weyrauch bestätigte, dass er jene 100.000-Mark-Spende erhalten habe, die der Waffenhändler Karlheinz Schreiber 1994 übergeben haben soll. Nach dem Treffen Weyrauchs mit dem CDU-Geschäftsführer Hausmann am Mittwoch kamen Gerüchte auf, dass die angeblichen anonymen Spender, die Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl mit seinem Ehrenwort schützen will, gar nicht existieren.

Eine andere Version präsentierte am Freitag die Süddeutsche Zeitung: Die ominösen zwei Millionen stammten vom Münchner Medienunternehmer Leo Kirch. Kirch und die CDU-Pressestelle haben die Version der SZ gestern dementiert. Der ehemalige CDU-Finanzberater Weyrauch sagte jedoch gegenüber Hausmann, dass er von einer Spende von Kirch gehört habe.

Helmut Kohl hatte der CDU-Spitze am Donnerstagabend dreieinhalb Stunden lang Rede und Antwort gestanden. Er blieb jedoch dabei, dass er die Namen der Spender nicht nennen wolle.

Karin Nink/Tina Stadlmayer

Tagesthema Seite 3