Rätselraten um Hessens Koch-Buch

Woher stammen die Mittel der ungewöhnlich teuren Werbekampagne für ein Buch von Roland Koch? Inzwischen kursieren drei Versionen ■ Von David Schraven und Martin Murphy

Bochum (taz) – Quizaufgabe: Einer hat es nicht so mit der Wahrheit. Es geht um die ungewöhnlich teure Werbung für das Buch des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch „Vision 21“, das im Herbst 1998 pünktlich zum hessischen Landtagswahlkampf erschien. Und nun die Preisfrage: Woher stammt die Werbesumme, ist es eine verdeckte Parteispende oder gar Geld aus den schwarzen Kassen der Landes-CDU?

Kandidat eins: Moritz Hunzinger, Vorstandsvorsitzender der Hunzinger Information AG. In dem zum PR-Unternehmen gehörenden Verlag der Universitätsbuchhandlung „Blazek und Bergmann seit 1891“ war das Koch-Buch mit einer Auflage von 5.246 Exemplaren erschienen. Hunzinger sagt, dass er die gesamten Werbemaßnahmen für das Buch aus eigener Tasche bezahlt hat. Dazu gehörte die Schaltung von Anzeigen in den „wichtigen Blättern“, Präsentationen in Bundes- und Landtag, Aussendungen an die Journalisten und nicht zuletzt 71 Radiospots im Radio FFH. Insgesamt habe ihn die Werbung 175.000 Mark gekostet, wie Hunzinger der Frankfurter Rundschau sagte. Der taz hatte er eine Woche zuvor noch über 300.000 Mark vorgerechnet.

Kandidat zwei: die hessische CDU. Ihr Sprecher Christian Schnee sagte der taz: „Produktion und Werbung einschließlich der Radiospots wurden vom Verlag Blazek und Bergmann bezahlt.“ Die Vorwürfe der SPD und der Grünen, bei den Werbemaßnahmen handele es sich um eine verdeckte Parteienspende, da die Werbemaßnahmen für die schmale Auflage ungewöhnlich hoch gewesen seien, sind für ihn nicht stichhaltig. Auch die Auffassung des Leiters des Hagener Instituts für deutsches und internationales Parteienrecht, Martin Morlok, es handele sich um eine nicht deklarierte Spende, die in dem Rechenschaftsbericht der CDU hätte aufgeführt werden müssen, ficht Parteisprecher Schnee nicht an. Es sei lediglich das Buchprojekt eines Verlages, an dem dieser ein kommerzielles Interesse gehabt habe.

Kandidat drei: Reiner Zoffel, Geschäftsführer der Werbeagentur Zoffel-Hoff-Partner in Wiesbaden. Die Agentur hat den Radiospot für das Buch „Vision 21“ produziert. Rund 9.000 Mark habe dies gekostet, so Zoffel zur taz. Wer hat für die Produktion des Spots bezahlt? „Alles auf Rechnung und bezahlt von der CDU Hessen.“ Wer hat die Schaltungen im Radio FFH bezahlt? Dazu könne er nichts sagen, seine Agentur habe den Spot nach Fertigstellung an eine andere Agentur weitergegeben. Einer der Geschäftsführer der Agentur Zoffel-Hoff-Partner ist Volker Hoff. Seines Zeichens Abgeordneter der CDU im Landtag sowie seit 1984 im Landesvorstand der hessischen CDU.

Mit der Aussage Zoffels falle das Gebäude der CDU Hessen in sich zusammen, es habe sich lediglich um kommerzielle Werbung gehandelt, sagt Alexander Müller, finanzpolitischer Sprecher der hessischen Grünen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag, Armin Clauss, vermutet, dass hinter der fragwürdigen Finanzierung der Buchwerbung das Schwarzgeld der CDU steckt. Für ihn wirft das Ganze ein schlechtes Licht auf den CDU-Wahlkampf. „Es zeigt sich, dass es nicht nur inhaltlich ein schmutziger Wahlkampf war, sondern dass auch mit unfairen Mitteln gekämpft wurde.“ Nach Meinung des Grünen Müller werde dies gerade durch die Rundfunkspots dokumentiert. Koch habe mit den gesendeten Radiospots das Landesrundfunkgesetz umgangen. Erst das Verbot der Landesmedienanstalt hatte die Ausstrahlung der Spots in Radio FFH gestoppt. Denn: Politische Werbung ist nur auf den besonders gekennzeichneten Sendeplätzen gestattet. Und die Werbung für das Koch-Buch sei als politische Werbung einzustufen, so die Anstalt in ihrer Entscheidung.

Nach Recherchen der taz gibt es noch weitere Anhaltspunkte für mindestens seltsame Finanzierungswege im CDU-Wahlkampf. So warb Koch mit Backrezepten für seine Politik. Die Broschüre mit dem Namen „Weihnachtliche Rezepte von und mit Roland Koch“ wurde an den Adventssamstagen 1998 in Fußgängerzonen verteilt. Auflage: 100.000 Exemplare. In der Broschüre empfahl er als Backhilfen „Dr. Oetker Rum-Aroma“ und „Dr. Oetker Vanillin-Zucker“ oder auch „Dr. Oetker Sahnesteif“. Wen wundert es, das die CDU Hessen dann auch 100.000 Beutel Backpulver Marke „Dr. Oetker Original Backin“ in die Broschüre legte. Erworben hatte sie diese zum Vorzugspreis von 5.000 Mark – nicht einmal ein Drittel des Großhandelspreises. Auch die Adam Opel AG zeigte sich von ihrer Schokoladenseite. Die Rüsselsheimer Autobauer borgten den hessischen Konservativen in der Vorwahlkampfzeit einen Opel Frontera. Für umsonst selbstverständlich. Das sei durchaus normal, sagte ein Sprecher des Automobilkonzerns. Man habe eine „vitales Interesse“ an einer guten Verbindung zur Landesregierung. Denn diese sei schließlich ein „potentieller Kunde“. Ein Frontera kostet je nach Ausstattung zwischen 40.000 und 60.000 Mark. SPD-Fraktionschef Clauss hält die Glaubwürdigkeit von Koch für schwer angeschlagen. „Der selb sternannte Chefaufklärer muss endlich alles auf den Tisch legen und dann die politischen Konsequenzen ziehen.“ Neuwahlen seien unumgänglich. Roland Koch wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.