Mann, Frau, Geist, Beatnik

Dänische Autoren zu Gast im Literaturhaus: Jens Christian Grøndahl und Ulrikka Strandbygaard lesen Prosa, Søren Ulrik Thomsen und Peter Laugesen performen Lyrik  ■ Von Frank Keil

Seit drei Wochen prangen die Plakate mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund und dem Schriftzug „danmark til hamborg“ in den Lichtkästen der Bushaltestellen. Mittlerweise war die Königin persönlich da, die ersten Kammerkonzerte sind verklungen, die Bilder dänischer Meister hängen, und es wird Zeit für die Dichter. Da kommen sie: drei Männer, eine Frau; zweimal Prosa, zweimal Lyrik,verteilt auf zwei Abende.

Dänische Literatur, die zeitgenössische im Besonderen, ist uns nicht ganz fremd, aber auch nicht sehr vertraut. Herman Bang vielleicht und sicherlich Hans Christian Andersen mag man nennen sowie M. Anderson Nexö; Tania Blixen fällt einem ein, und mancher wird sich an Tove Ditlevsen erinnern, die mit ihrem subjektiv-offensiven Stil so gut in die Siebziger zu passen schien und die sich so traurig zu Tode soff. Peter Høeg gilt natürlich als großer Star. Und dann – als Rowohlt noch seine schwarze Krimireihe verlegte – gab es mal einen fulminanten Krimiautoren namens Poul rrum, von dem man seit Jahren nichts mehr gehört hat. Außerdem lebt einer der besten dänischen Literaten in Hamburg: Peer Hultberg. So wenige sind es dann doch nicht.

Von Jens Christian Grøndahl erschien vor einigen Jahren ein Roman in einem Göttinger Kleinverlag, doch meinte es das Schicksal besser: Hanser verlegte in der letzten Saison sein Schweigen im Oktober bei seinem Ableger Zsolnay. Der Roman ist trotz seines drögen Titels ein kleines Wunderwerk, obgleich die Kurzinhaltsangabe zunächst Ungutes befürchten lässt: Ein Mann wird damit konfrontiert, dass ihn seine Frau verlassen hat. Für kurz? Für länger? Für immer? Der Mann ist 44, Kunstkritiker von Beruf, die Frau Cutterin. Beruflicher Erfolg hat für einen gewissen Wohlstand gesorgt, man wohnt mit Blick auf einen See. Die Erziehung der Kinder hat man sich partnerschaftlich geteilt, nun streben diese mit Macht aus dem Haus. Doch wer jetzt das übliche Beziehungsgezeter erwartet, wird angenehm enttäuscht. Grøndahls Bericht ist von einer zarten Verletzlichkeit durchzogen, wie sie nicht oft anzutreffen ist, wenn Mann und Frau an der Bruchstelle ihres Lebens stehen. Erst recht gefällt, dass hier explizit der Held in seiner Gespaltenheit aus traditionellem Männerideal und neuangeeigneter Empathie und Leidensfähigkeit spricht.

Ulrikka Strandbygaard machte sich zunächst einen Namen als Jugendautorin. Was hierzulande eher ein Manko ist, ist in Skandinavien nichts Besonderes; viele renommierte Autoren bedienen die Kurzen wie die Großen gleichermaßen gut, siehe Ingvar Ambjörnsen oder Henning Mankell. Ihr erster Roman Das Lachen des Labyrinths, der erfreulicherweise schnell ins Deutsche übersetzt wurde, handelt vom Familiendasein in einem pietistischen Pfarrhaus in der jütländischen Provinz. Ein durchaus kompliziertes Geflecht aus Vor- und Rückgriffen, aus realistischen Schilderungen und Ausflügen in die Fantastik überzieht dabei die Seiten – also weniger etwas für Leser, die genervt sind, wenn aus einer handelnden Person plötzlich ein Geist wird, der kommentierend über dem Geschehen schwebt.

Teil Zwei: die Lyrik. Hier wird die vergleichende Materiallage noch dünner, auch wenn der Übersetzer Peter Urban-Halle (er wird übrigens beide Abende moderieren, und wer könnte das besser?) neulich ein Akzente-Bändchen fast ganz der dänischen Lyrik ab Kriegsende widmete. Vor Ort ist zunächst Søren Ulrik Thomsen, Jahrgang 1956. Fünf Bände hat er bisher veröffentlicht, in den Achtzigern gehörte er zu den Erneuerern der dänischen Lyrik. Damals postulierte er: „Nur wer Tag für Tag fanatisch sein absolutistisches Projekt verfolgt, erfährt seine eigene Begrenzung, und nur wer sich konstant zu einem neuen Bewusstsein seiner neuen Grenze hin schreibt, kann diese überschreiten.“ Seine Gedichte fallen weit weniger martialisch aus, wie dem Gedichtband Anheimgefallen zu entnehmen ist, aus dem Thomsen lesen wird.

Bei seinem Kollegen Peter Laugesen, Jahrgang 1942, wird dagegen eine Zahl von bisher 40 Veröffentlichungen genannt; keine wurde bisher ins Deutsche übersetzt. Es heißt, sein Schreiben sei vom Wirken und von den Werken der Beatniks um Kerouac und Co. geprägt. Ein Hinweis, der zuweilen fällt, wenn man den Lyriker vorbeugend vor dem Verdacht weltentfleuchender Wortduselei bewahren will. Ob das nötig ist, wird sich am Donnerstag im Literaturhaus herausstellen.

Jens Christian Grøndahl und Ulrikka Strandbygaard, heute, 20 Uhr, Literaturhaus, Søren Ulrik Thomsen und Peter Laugensen, Donnerstag, 3. Februar, 20 Uhr, Literaturhaus; Jens Christian Grøndahl: „Schweigen im Oktober“. Roman. Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle, Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999, 328 Seiten, 39,80 Mark; Ulrikka Strandbygaard: „Das Lachen des Labyrinths“. Roman. Aus dem Dänischen von Jörg Scherzer, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999, 368 Seiten, 39,90 Mark; Søren Ulrik Thomsen: „Hjemfalden/ Anheimgefallen“. Gedichte. Aus dem Dänischen von Ursula Schmalbruch, Kleinheinrich-Verlag, 1993, 128 Seiten, 50 Mark