Einmal der Ringo sein

Per Würfel durch Glitzerwelt und Hinterhof: Ein Bootsbauer aus St. Pauli ertüftelte das Gangster-Monopoly „Kiezkönig“  ■ Von Volker Stahl

Wer lange Zeit auf dem Kiez wohnt, kommt irgendwann auf dumme Gedanken. Bei einem nächtlichen Spaziergang durch die grell erleuchteten Straßen, dunklen Gänge und schmuddeligen Parks von St. Pauli fragte Arne Schepke sich, was den Kiez wohl im Inners-ten zusammen hält. Aus der fixen Idee entstand ein Gesellschaftsspiel, an dem der gelernte Bootsbauer sechs Jahre lang werkelte. Seit kurzem ist der „Kiezkönig“ auf dem Markt und glotzt durch seine dunkle Sonnenbrille von der Spielschachtel über den Tresen - in der Esso-Tankstelle auf der Reeperbahn, im Karten-Center des FC St. Pauli und in Szene-Läden.

Das Milieu, in dem sich Schepkes „Kiezkönig“ bewegt, besteht aus einer anrüchigen Melange aus Glitzerwelt und Hinterhof. „Deshalb habe ich das Spielfeld auch in eine innere und eine äußere Bahn unterteilt.“ Die beiden Laufpfade repräsentieren den legalen Kapitalismus und die zwielichtige Unterwelt, in der sich ebenfalls vortrefflich Geld verdienen lässt. Die Übergänge sind fließend - im richtigen Leben wie auf dem Spielfeld.

Beim Kampf um die Macht auf dem Kiez starten drei bis sechs „Unternehmer“ mit 300 Kiezdollar in der Tasche. Im schönen Schein der Geschäftswelt kaufen die Nachwuchs-Ringos und -Kalles ihre Läden zunächst offiziell, machen Behördengänge und bezahlen brav ihre Steuern – bis sie unvermittelt per Taxi in die Unterwelt abdüsen.

„Dort erstreitet sich der Kiezkönig letztlich sein Reich“, weiß Arne Schepke aus ungezählten Proberunden mit Freunden. In sechs Jahren „Werkstattzeit“ haben wohl an die 50 Bekannte dem Kiezkönig mit Tipps, Verbesserungsvorschlägen und Gestaltungsideen auf die Sprünge geholfen.

„Das Kiezspektakel ist leicht entzündbar, wenn alle Unternehmer zu schnell zu viel haben wollen“, warnt der gebürtige Kieler die Gierhälse beim Ringen um Macht, Geld und schließlich die Kiezkrone. Erst wer die durch bunte Kärtchen symbolisierten „Insignien des Erfolgs“, Grundbesitz, Macht und Kapital, seinE nennen darf und sich im finalen Spießrutenlauf gegen die Konkurrenz behauptet, darf sich die Krone aufsetzen.

Knapp 50 Mark kostet das Spiel, von denen je zwei Mark an das Stadtteilprojekt „Kurverwaltung St. Pauli“ für soziale Zwecke abgeführt werden. Der Kiezkönig erinnert mitunter an Spieleklassiker wie „Monopoly“. Das weiß auch Schepke: „Natürlich enthält mein Werk klassische Spielmechanismen, aber nur mit Würfelglück und ganz ohne Taktik kann man nicht gewinnen.“ Seine in dem Spiel verarbeiteten sieben Jahre Kiez-Erfahrungen bringt er auf den Punkt: „Manche Menschen mutieren erst zu Gangstern, weil man ihnen bestimmte Dinge nicht erlaubt“. Diese Aussage will er aber nicht als Fingerzeig auf die Doppelmoral verstanden wissen, sondern als „Satire“.

Sein Traum ist, einmal eine Partie „Kiezkönig“ mit Kiezkenner Udo Lindenberg zu spielen: „Wenn der vor dem Spiel den Hut zöge, hätte ich gewonnen.“

Der „Kiezkönig“ ist im Heidelberger Spieleverlag erschienen und kostet 49 Mark 50 zzgl. Porto. Bestellungen unter 040/319 18 43