Neues Kapitel in der belgischen Skandalchronik

■ Ein Priester soll Kinder sexuell missbraucht haben. Jetzt wird in dem Fall erneut ermittelt

Brüssel (taz) – Belgien erlebt ein neues Kapitel seiner makabren Skandalgeschichte. Während am Dienstag König Albert II. in seiner Neujahrsansprache vor dem Parlament dazu aufrief, das belgische Image im Ausland aufzupolieren, durchsuchten Brüsseler Kriminalbeamte Büros des Erzbistums Mecheln-Brüssel, der Schule St. Geneviève und die Privatwohnung des Priesters Robert Borremans.

Borremans hatte 1994 seinen Posten als Pastor einer Brüsseler Gemeinde aufgeben müssen, weil er in den Verdacht geraten war, Kinder aus seiner Pfadfindergruppe sexuell missbraucht zu haben. Bis 1996 leitete er die Verwaltung der katholischen Schule St. Geneviève in Brüssel. Als in der Schulbilanz ein Loch von 700.000 belgischen Franc auftauchte, wurde Borremans abermals versetzt – in die Schatzkanzlei des Erzbistums.

Der Erzbischof veranlasste damals eine interne Untersuchung, die ergab, dass Borremans Geld zwischen den Konten der Schule und des Erzbistums verschoben und dabei umgerechnet eine halbe Million Mark in seine Tasche geleitet hatte. An die belgischen Justizbehörden wurde dieses Ergebnis nicht weitergegeben.

Kürzlich meldeten sich Zeugen, mit der Folge, dass die Ermittlungen gegen den Priester wieder aufgenommen wurden. In der Gemeinde, die Borremans 1994 verlassen musste, munkelt man, dass er mit dem Geld das Schweigen seiner Opfer erkauft habe.

Die belgische Öffentlichkeit war an den Fall Borremans am 4. Dezember 1999 Jahres, bei der Hochzeit von Mathilde und Philippe, erinnert worden. Eltern betroffener Kinder hatten den Priester bei der Fernsehübertragung wieder erkannt – er leitete den Chor in der Brüsseler Kathedrale.

Bei der Durchsuchung von Borremans Wohnung stellte die Polizei am Dienstag Fotos sicher, die ihn nackt neben ebenfalls nackten Kindern zeigen. Die Polizei hofft, mit Hilfe der Fotos einige Opfer ausfindig zu machen. Auch seinem Sohn Prinz Philippe liege Belgiens Image am Herzen, hatte Albert II. bei seiner Ansprache versichert. Vielleicht brütet Philippe schon über der Frage, wie er künftig für ein strahlendes Image Belgiens sorgen soll. Daniela Weingärtner