Machtwechsel an der Staatsspitze

Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Kroatien setzen sich zwei ehemalige Oppositionspolitiker durch ■ Von Erich Rathfelder

Zagreb (taz) – Fast ungläubig blickten die Anhänger von Stipe Mesić auf die ersten Wahlergebnisse. Dann brachen sie in Jubel aus. Denn der ehemalige kroatische Oppositionspolitiker Mesić ist als Sieger aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Kroatien hervorgegangen. Der Vertreter des bisher oppositionellen Parteienbündnisses Cetvorka ereichte rund 41 Prozent der Stimmen, sein wichtigster Gegenkandidat, der sozialliberale Drazen Budisa, kam auf 28 Prozent. Für den Vertreter der abgewählten ehemaligen Regierungspartei HDZ , Mate Granić, stimmten lediglich 22 Prozent. Damit wird es in zwei Wochen zu einer Stichwahl der beiden Kandidaten der ehemaligen Opposition kommen.

Als das Publikum bei der Feier des Favoriten im Restaurant des Journalistenverbandes beginnen wollte, „Stipe, Stipe“ zu rufen, hob Mesić beschwichtigend die Arme. Früher hätten die Massen „Franjo, Franjo“ gerufen, erklärte er. Er wolle auf diesem Feld nicht mit dem alten Präsidenten Tudjman konkurrieren.

Der 65-jährige Mesić steht für einen neuen Stil in der Politik. Während der Wahlkampagne zeigte er sich volksnah. Mit Humor und Schlagfertigkeit gewann der noch vor wenigen Wochen in den Umfragen weit zurückliegende Mesić die Sympathien der Wähler. Als Kandidat des zweiten, kleineren Oppositionsbündnisses angetreten, überzeugte er die Wähler, dass er die Forderung nach Demokratisierung und einer Öffnung in Richtung Europa auch durchsetzen werde. Ersten Wahlanalysen zufolge fischte er bei den Sozialdemokraten, gewann die Mehrheit bei Frauen und jungen Wählern. In der Region Istrien erreichte er über 60 Prozent, in der Region Zagreb über 50 Prozent der Stimmen.

Enttäuscht dagegen zeigte sich Drazen Budisa, Kandidat der mit den Sozialdemokraten verbündeten sozialliberalen HSLS. Der aus Dalmatien stammende 52-Jährige konnte lediglich in den Wahlkreisen seiner Heimatregion Sibenik und Split die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Der ehemalige Außenminister Mate Granić dagegen liegt nur bei den Auslandskroaten vorne.

Damit setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen die Tendenz fort, die sich schon bei den Parlamentswahlen Anfang Januar angedeutet hatte. Die nationalistischen Kandidaten, wie der ehemalige Justizminister Zvonomir Separović (0,25 Prozent) und der rechtsradikle Anto Dapić (1,7 Prozent) erhielten eine klare Abfuhr. Die ehemalige Regierungspartei HDZ steht im Abseits, die ehemaligen Oppositionspolitiker gewannen mehr als zwei Drittel der Stimmen.

Vladimir Seks, Chef der Parlamentsfraktion der HDZ, gestand gestern die Niederlage ein. Die aus Ex-Kommunisten, Exilanten und Katholiken 1989 geformte Partei ist in Gefahr, auseinander zu fallen. Als unabhängiger Kandidat hätte er die Wahlen gewinnen können, erklärte Mate Granić gestern. Scharf kritisierte er einige Kräfte der HDZ, die seiner Kampagne geschadet hätten. Er schloss nicht aus, die Partei zu verlassen und eine neue liberal-konservative Partei zu gründen „Die Interessengemeinschaft“ HDZ, so der Verleger Nenad Popović, habe seit den Wahlniederlagen keine Zukunft mehr, sie sei nur durch die Macht zusammengehalten worden, besitze aber nicht einmal mehr eine gemeinsame Ideologie.

Mit Mesić und Budisa stehen sich bei der Stichwahl am 7. Februar zwei Kandidaten gegenüber, die mehr verbindet als trennt. Beide traten schon 1971, im Rahmen des „kroatischen Frühlings“, in Erscheinung – Budisa war einer der Studentenführer. Wie im Prager Frühling sollte damals das kommunistische Regime auch in Kroatien reformiert werden. Von Tito niedergeschlagen, wanderten viele Protagonisten dieser nationaldemokratischen Bewegung für einige Jahre ins Gefängnis, so auch Mesić und Budisa.

Pikant an der neuen politischen Konstellation in Kroatien ist, dass der künftige Premierminister, der Sozialdemokrat Ivica Racan, 1971 zu den jungen Neostalinisten gehörte, die in der Folgezeit im Kommunistischen Bund Kroatiens Karriere machten und für die Repression gegenüber den Dissidenten verantwortlich waren. Erst Mitte der 80er-Jahre tauchte in der kroatischen Partei wieder ein liberaler Flügel auf, an dessen Spitze sich Ivica Racan setzte. Mesić schloss sich damals Tudjman an, mit dem er erst 1994 brach. Drasen Budisa blieb während dieser Zeit in der Opposition.

Heute zeigen sich die drei Politiker versöhnt. Dennoch wird es einen harten Wahlkampf geben. Der als Zeuge gegen Tudjman und Milošević in Den Haag vernommene Stipe Mesić steht überzeugender als Budisa für eine Annäherung an Bosnien. Die westherzegowinischen Extremisten und HDZ-Anähänger in Mostar haben auch schon angekündigt, im zweiten Wahlgang für Budisa zu stimmen. Mate Granić dagegen gab keine Wahlempfehlung ab.

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