Japan trägt das Internet am Ohr

Mit dem mobilen und schnellen Netzzugang hat der Mobilfunkgigant NTT DoCoMo weltweit die Führung in einer Zukunftsbranche übernommen ■ Aus Tokio André Kunz

Tokio (taz) – Japan bleibt ein Weltmeister in der Miniaturisierung. Das Land, das der Welt den Walkman, den Game Boy und das tragbare Fernsehgerät gegeben hat, ist gerade daran, den mobilen Internetzugang mit federleichten Handys zu revolutionieren. Der Mobilfunkkonzern NTT DoCoMo hat mit dem „i-mode“-Service die Pionierrolle in dieser wachstumsträchtigen Zukunftsindustrie übernommen. NTT DoCoMo gehört mit rund 28 Millionen Abonnenten jetzt schon zu den weltweit größten Mobilfunkanbietern. Mit dem Erfolg von „i-mode“ auf dem heimischen Markt hat der Konzern nun den Blick auf Asien und Europa geworfen und will mit „freundschaftlichen Allianzen“ seine Technologie und die Marktpräsenz global ausweiten.

„Aimoodo“ nennen japanische Teenager ein 90 Gramm leichtes Handy mit einem fünf mal vier Zentimeter großen Bildschirm und meinen damit das erste Mobiltelefon der Welt, das einen preisgünstigen und gleichzeitig schnellen Internetzugang erlaubt. In nur zehn Monaten haben vier Millionen Japaner diese Form des Surfens im Worldwideweb entdeckt, und 450.000 kommen pro Monat hinzu. In Deutschland gibt es derzeit 10.000 Handys auf dem Markt, die den WAP(wireless application protocoll)-Standard haben. Dieser übersetzt die html-Sprache des Internets auf das Handy. Experten schätzen, das es 2005 eine Milliarde dieser Mobiltelefone geben wird.

Das Konzept von „i-mode“ ist einfach und überzeugend. NTT DoCoMo bietet einen E-mail-Service für Kurzmitteilungen bis zu 250 Zeichen und rund 4.000 speziell formatierten Webseiten, auf denen Flugtickets reserviert, der Stand des eigenen Bankkontos oder die Abfahrt des nächsten Zuges in Sekundenschnelle abgerufen werden können. All das mit einem Handy, dessen Anschaffung rund 140 Mark kostet und dessen Gebühr pro Monat gerade einmal 50 Mark beträgt.

Nicht verwunderlich also, dass Telekom-Analysten in Tokio NTT DoCoMo als die ganz große Nummer im kommenden globalen Konkurrenzkampf um den mobilen Internetzugang handeln. Seit Juni 1999 hat sich der Aktienpreis des Konzerns verdreifacht und NTT DoCoMo – gemessen an der Börsenkapitalisierung von 510 Milliarden Mark – zum weltweit größten Mobilfunkkonzern gemacht. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet NTT DoCoMo mit Einnahmen von 55 Milliarden Mark und einem Betriebsgewinn von acht Milliarden Mark.

Die Kriegskasse wäre also gefüllt für mögliche feindliche Übernahmen. „Das ist nicht unser Stil“, sagt indes Keiji Tachikawa von NTT DoCoMo. Stattdessen sucht er freundschaftliche Allianzen und hat im November an Hutchinson Telekom, dem führenden Mobilfunkunternehmen Hongkongs, einen Anteil von 19 Prozent übernommen. Ähnliche Allianzen strebt Tachikawa in Singapore, Malaysia und der Volksrepublik China an. Also in den asiatischen Märkten, die gemäß Telekom-Analysten in den nächsten fünf Jahren das größte Wachstumspotenzial aufweisen.

Diese Woche kündigte NTT DoCoMo nun an, dass sie ihre Aktien auch in London handeln wollen, um so schneller mit europäischen Mobilfunkanbietern Allianzen schmieden zu können. Nicht um „Aimoodo“ in Europa zu verbreiten, sondern mit Blick auf die nächste Generation der Mobilfunknetze, die den Internetzugang mit Hochgeschwindigkeit erlauben. Diese dritte Generation, die auf dem Breitband-Protokoll CDMA basiert, erlaubt den Net-Zugang mit zwei Megabits pro Sekunde, also rund 200-mal so schnell wie die bei der jetzigen Handy-Generation, die die Daten mit 9,6 Kilobites pro Sekunde übermitteln. Zum Vergleich dazu: Ein ISDN-Anschluss schafft 64 Kilobites pro Sekunde. In diesem Forschungsfeld gehört NTT DoCoMo mit seinen 700 Forschern im Yokosuka-Forschungsinstitut südwestlich von Tokio inzwischen zur Weltspitze und wird das Breitbandnetz in Japan bereits im Jahre 2003 einführen. Auch in Europa wird das CDMA-Protokoll gegenüber einem amerikanischen Konkurrenzprotokoll favorisiert.

Für Kabelnetzbetreiber, die in den letzten Jahren für Milliarden von Mark Glasfaserkabel verlegt haben, sind das beunruhigende Nachrichten. Sie könnten von dieser Revolution im Mobilfunk überrollt werden, weil die Infrastukturen für das Mobilfunknetz viel günstiger sind. Sicher ist jetzt schon, dass Wachstumsmärkte in Asien, Afrika und Südamerika diese Alternative für den Aufbau eines leistungsstarken nationalen Informationsnetzes wählen werden, und da ist eine Präsenz auf den Märkten von höchster Bedeutung. Während in Europa Übernahmeverhandlungen die Mobilfunkindustrie in Atem halten, schließt NTT DoCoMo in aller Stille freundschaftliche Allianzen in Asien, die dem Konzern künftig eine überwältigende Präsenz garantieren werden. Gleichzeitig könnte die eigene Technologie auf diese Weise zum Weltstandard katapultiert werden.