Soll man vor dem Ableben noch ein Bier trinken?

Die Selbstmörder: „Gottes Laterne in Budapest“ ist der neue Film von Miklós Jancsó, dem großen alten Mann des ungarischen Kinos

Filmen wie diesen gehört der nötige Respekt verschafft, deshalb sei gleich vorausgeschickt: Miklós Jancsó ist einer der großen alten Männer des ungarischen Kinos. Als solcher tritt er auch in seinem neuesten Film in Erscheinung. Allerdings ganz im buchstäblichen Sinne – mit schlohweißem Haupthaar und seinen fast achtzig Jahren gibt er eine überaus stattliche Figur ab. An der Seite seines Autors Gyula Hernadi, einem etwas kleineren alten Mann, sitzt der Regisseur in diesem völlig respektlosen Film meist auf dem Friedhof herum. Obwohl von Auftragskillern erschossen, sind sie nicht totzukriegen. Denn, so sagt eine andere Figur über die beiden Alten, „die haben wohl überall die richtigen Verbindungen“.

Es ist ein vertrackter Selbstkommentar, den Jancsó hier abgibt. Menschen mit einer bestimmten Fernsehsozialisation denken an die Alten in der Loge der Muppetshow und sind damit schon im richtigen Genre. Dies ist kein Selbstmitleid im Sinne von: früher durfte ich nicht, wie ich wollte, und heute kann ich nicht mehr. „Gottes Laterne in Budapest“ ist ein ironisches Essay, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. Und dazu noch ein Film! Und zwar mit jenem Mut zu Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit und jenem Interesse für die Mittel des Kinematographen, wie man es in dieser Frische fast nur aus den 60er-Jahren kennt.

Im Wesentlichen sehen wir: Pepe und Kapa. Mal als Totengräber, mal als Berufskiller, mal als Neureiche, mal als ganz gewöhnliche Selbstmörder. Stets bleiben sie trotz Uniformwechsel Pepe und Kapa, die sich aus Grundschulzeiten kennen. Sie sind ein Paar wie Dick und Doof oder auch Walther Matthau und Jack Lemmon oder, gelehrter ausgedrückt, wie Weißclown und Rotclown. Der eine dominant, cholerisch und unzufrieden, der andere devot, leicht zu begeistern und leicht zu betrüben.

Worum es eigentlich in diesem Film geht, ist natürlich schwer zu sagen. Oder auch nicht: um nichts weniger als das Heute. Und wie es so ist in Ungarn, mit seinen neuen Reichen und alten Eliten und den Totengräbern und den Berufskillern. Und der allzeit kritischen Frage, ob Gottes Laterne wohl in den richtigen Händen ist?

Janscó selbst preist seinen Film als benutzerfreundlich an. Für Leute, die gern entschlüsseln, gibt es Verschlüsseltes, für die Kritiker von Gewalt wird Gewalt kritisch dargestellt, für den klassischen Cineasten gibt es schöne Kamerabewegungen und für die, die’s philosophisch lieben, ein Paar Weisheiten, wie etwa: „Wär’ ich ein Tier, würde ich mir keinen Menschen halten.“ Wer würde dem nicht zustimmen wollen.

Doch entgegen dieser pessimistischen Äußerung – und derer gibt es viele, und auch Onkel Marx hat einen melancholischen Auftritt – ist der Film im Ganzen heiter. Wie auch anders, wo es doch ständig um das Leben vor und nach dem Tod geht. Um seine Nichtigkeit und Vergänglichkeit, oder weniger abstrakt gesehen: darum, ob man vor dem Ableben noch ein Bierchen trinken soll. Oder ob es dazu schon zu ungemütlich geworden ist in Budapest.

Barbara Schweizerhof

„Gottes Laterne in Budapest“, Regie: Miklós Jancscó. Mit: Zoltán Mucsi, Péter Scherer, Jószsef Szarvas, Zsolt Kovács, Miklós Jancsó u. a. Ungarn 1999. 103 Min.