Kein Nachtflugverbot in Brüssel

Kurierdienst DHL drohte, den Firmensitz zu verlegen, die grüne Verkehrsministerin kuschte. Jetzt sollen Maßnahmen wie Transporte auf der Straße die Brüsseler Ohren schonen helfen  ■  Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Fast hätten die Brüsseler Einwohner eine so ruhige, flugzeugarme Nacht wie die Berliner bekommen. Am Montag hatte die grüne Verkehrsministerin Isabelle Durant einen Erlass angekündigt, der vom Juni 2003 an nächtliche Transportflüge, die vom Brüsseler Flughafen Zaventem aus starten, zwischen 1 Uhr und 5 Uhr morgens verbieten sollte. Ab Januar 2004 sollten die lautesten Großraummaschinen zwischen 23 Uhr und 7 Uhr morgens nicht mehr fliegen dürfen.

Am Mittwoch musste Durant das Projekt allerdings auf Druck ihrer Ministerkollegen zurückziehen. Das teilweise zur Deutschen Post zählende Kurierunternehmen DHL Worldwide Express hatte angekündigt, den Firmensitz zu verlegen, wenn der Erlass in Kraft tritt.

DHL, das Zaventem bislang als wichtigsten Flughafen außerhalb der USA nutzt und dort jede Nacht bis zu vierzig Maschinen starten lässt, hatte mit dem Verlust von 6.000 Arbeitsplätzen für Brüssel und Umgebung gedroht. Auch Folgeeffekte für die Region seien vorprogrammiert. In den vergangenen Jahren hätten sich die Logistikzentren zahlreicher High-Tech-Unternehmen in Belgien und den Niederlanden angesiedelt. Sie seien auf Just-in-Time-Lieferungen angewiesen.

Der leitende DHL-Manager Guy Collitte nannte Durants Rückzieher gegenüber der Presse „eine sehr mutige Entscheidung“. Sie erlaube der Flughafenleitung, gemeinsam mit Ministerpräsident Verhofstadt zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung zu kommen. Seit 1995 verhandle DHL bereits mit der Regierung über Lärmschutzmaßnahmen. Das Unternehmen plane mittelfristig, seine Boeing 727 Großraumflugzeuge durch 757-Maschinen zu ersetzen. Sie seien mit Rolls-Royce-Motoren ausgestattet und daher am Boden um 77 Prozent leiser als herkömmliche Flugzeuge. In der Luft betrage die Lärmminderung immerhin noch 27 Prozent. Weitere Erleichterungen für die vom Fluglärm geplagte Brüsseler Bevölkerung werde eine geänderte Start- und Landetechnik bringen. Die Piloten sollten Zaventem in Zukunft steiler anfliegen und auch in steilerem Winkel starten. Durch Verlagerung von Transporten auf die Straße solle der Luftfrachtverkehr außerdem reduziert werden.

Collitte sieht darin einen echten Beitrag zur Lösung des Problems, da die belgischen Autobahnen nachts nicht ausgelastet seien. Isabelle Durant betrachtet das Machtwort des Ministerpräsidenten nicht als Ohrfeige, wie sie mehrfach tapfer betonte. Sie werde weiter für ihre politischen Überzeugungen arbeiten – innerhalb der Regierung. Nun soll eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe das Problem in die Hand nehmen und innerhalb von drei Wochen Vorschläge vorlegen. „Ziel ist es, eine globale und ausgewogene Lösung zu entwickeln, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichtigt“, erklärte Ministerpräsident Guy Verhofstadt.