Ökobauern verlieren Optimismus

Die rot-grüne Landwirtschaftspolitik ist konzeptionslos, der Verbraucher uninformiert, die Grüne Woche Volksverdummung, sagen die Bauern ■ Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – „Wir sind sehr ernüchtert“, so resümierte gestern Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Biobauer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Landwirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung. Ein starker Satz aus Baringdorfs Mund, sitzt er doch selbst für die Grünen im Europaparlament.

Anlässlich der Grünen Woche, die heute in Berlin beginnt, stellte der Politiker für das Agrarbündnis auf dem Messegelände den achten „Kritischen Agrarbericht“ vor und nutzte die Gelegenheit gleich, eine Bilanz des ersten Regierungsjahres zu ziehen.

Die kritischen Bauern hätten den Regierungswechsel damals mit großem Optimismus begrüßt, erinnerte Baringdorf, trotz des in beiden Parteien vorhandenen „Desinteresses und Unverständnisses“ gegenüber der Landwirtschaft und deren Problemen. Angesichts „derartiger Strategielosigkeit“ sei der Optimismus aber verschwunden, die Betriebe hätten „überhaupt keine Perspektive“. Es fehle ein schlüssiges rot-grünes Konzept für eine Landwirtschaft, die den gesellschaftlichen Vorstellungen der Schaffung von Arbeitsplätzen, von umweltschonender Erzeugung und artgerechter Tierhaltung entspricht, klagt das Agrarbündnis. Dieses Bündnis ist ein Zusammenschluss von 20 Organisationen aus Landwirtschaft, Umweltschutz und Verbraucherorganisationen, darunter die AbL, Bioland und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Auch die Ausgestaltung der Ökosteuer wurde von Baringdorf kritisiert. Während andere Arbeitnehmer durch die Senkung der Lohnnebenkosten aus dem Aufkommen der Ökosteuer mit einem Ausgleich für die hohen Energiepreise rechnen können, geht dies bei den vielen Familienbetrieben der Landwirtschaft nicht: Deren Arbeitnehmer, die Familie, beziehen in der Regel keinen Lohn. „Wir haben nichts gegen höhere Energiesteuern“, betonte Baringdorf, aber auch die Bauern verdienten eine entsprechende Entlastung.

Und auch die Grüne Woche selbst kritisierte das Agrarbündnis, während am Rande der Pressekonferenz einige Messeteilnehmer gerade noch ihre Stände zusammenzimmerten. „Das ist ein Potemkinsches Dorf“, sagte Hubert Weiger vom BUND und Vorstand des Agrarbündnisses. Bei der Publikumsattraktion „Erlebnisbauernhof“ würden beispielsweise Legehennen in Bodenhaltung gezeigt und der Eindruck erweckt, dies sei die übergreifende landwirtschaftliche Realität. „Dabei werden überhaupt bundesweit nur zehn Prozent der Legehennen auf dem Boden gehalten, und insgesamt nur ein bis zwei Prozent artgerecht“, erklärte Weiger. Hier würde „Volksverdummung“ betrieben.

Sowohl Baringdorf als auch Weiger bemängelten, dass die landwirtschaftliche Realität über die Medien kaum vermittelt werde. Dadurch könne auch nicht der gesellschaftliche Druck für eine umweltschonende und sozial gerechte Landwirtschaft entstehen. Währenddessen übernehme die industrielle Landwirtschaft im Rahmen einer „Vernebelungstaktik“ Begriffe, die von den ökologisch orientierten Bauern zuerst eingeführt worden wären, wie „integrative“ oder „nachhaltige“ Landwirtschaft. Die mangelnde Aufklärung über das tatsächliche Geschehen auf dem Lande führt nach Ansicht des Agrarbündnisses auch dazu, dass der Verbraucher nicht bewusst entscheidet. „Es mag sein, dass man die unterschiedliche Qualität von Eiern nicht immer schmecken kann, obwohl sie aus unterschiedlicher Produktion kommen – aber schließlich zählt auch die Qualität des Produktionsstandortes“, sagte Weiger. „Über die kann der Verbraucher mitbestimmen.“

Schwerpunkt des achten „Kritischen Agrarberichtes“ ist dieses Jahr die Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO). „Das Ziel der Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt, eine umfassende Liberalisierungsrunde zu verhindern, ist zwar erreicht, allerdings sind wir mit dem Status quo alles andere als zufrieden“, sagte Tobias Reichert von der BUKO-Agrarkoordination, einem Zusammenschluss entwicklungspolitischer Gruppen. Auch durch die bestehenden Verträge würden die Entwicklungsländer in für sie zentralen Fragen wie die der Ernährungssicherung benachteiligt. Den europäischen Bauern sollten die Exportsubventionen gestrichen werden. „Wer für den Weltmarkt produzieren will, möge dies tun“, sagte Baringdorf, „aber ohne staatliche Unterstützung.“ Dabei ist man keineswegs grundsätzlich gegen Subventionen: Es flösse nicht zu viel Geld in die Landwirtschaft, resümierte er, sondern bloß in die falschen Kanäle.