China hackt auf Microsoft ein

■ Weil der Konzern angeblich Staatsgeheimnisse im Internet zugänglich macht, denkt Peking über ein Teilverbot nach. Eine schlechte Voraussetzung für den WTO-Beitritt

Berlin (taz) – Noch ist Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO nicht unter Dach und Fach, da gibt es in Peking neuen Streit. Kritiker des WTO-Beitritts wenden sich diesmal gegen den US-Softwaregiganten Microsoft, der zu den Hauptnutznießern der Öffnung des chinesischen Maktes gehören wird. Zwar hat das Pekinger Ministerium für Informationsindustrie die Meldung aus Südchina dementiert, dass die Regierung bald allen Behörden und öffentlichen Institutionen den Gebrauch des Betriebssystems Windows 2000 verbieten werde.

Das KP-Organ Volkszeitung bestätigte jedoch: Schon im letzten Jahr sei die Benutzung von Windows 95 und 98 drastisch eingeschränkt worden. Aus gut informierten Kreisen verlautet: Kommen Microsoft-Betriebssysteme dennoch zur Anwendung, dürfen die PCs bei der Administration kaum noch ans Internet angeschlossen werden. Und in Provinzen wie Shandong sei die erste Testphase eines partiellen Verbots von Microsoft-Betriebssystemen abgeschlossen.

Seit Beginn des Kosovo-Krieges im vergangenen März machten zuerst Chinas Militärs, dann die KP-Linke und jetzt die einheimische Industrie Front gegen Microsoft. Das Unternehmen, heißt es, böte in seinen Betriebssystemen US-amerikanischen und westlichen Geheimdiensten die Möglichkeit, übers Internet in Chinas Datensystemen einzusehen und einzugreifen.

Der Verdacht erhärtete sich bei den Spannungen zwischen China und Taiwan im vergangenen Sommer, als es taiwanesischen Hakkern gelang, chinesische Homepages zu knacken. Chinas Ökonomen haben auch den Verdacht, Unregelmäßigkeiten im Banksystem könnten mit Fremdeinwirkung zu tun haben, die ohne Microsoft unmöglich gewesen wäre. Den Hass gegen Bill Gates‘ Firma schürten auch Meldungen, wonach die USA die Angriffssoftware taiwanischer Kampfjets auf Microsoft-Basis „zielangepasst“ hätten.

Als bei den Verhandlung über Chinas WTO-Beitritt Chinas Premier Zhu Rongji Ende September den USA Zugeständnisse zur Öffnung des IT-Marktes einräumte, gewann der Kampf gegen Microsoft an politischer Brisanz. Nun schalteten sich auch Wissenschaftler ein. Hochrangige Experten wie Ni Guangnan verließen nicht nur ihren Job bei der von Microsoft lizenzierten Firma Legende in Peking. Die übergelaufenen Software-Gurus warnten auch, dass China bald „kein Geheimnis“ mehr hüten könne, wenn sich das Land sich nicht aus der Abhängigkeit von Microsoft befreie.

Experten der Sicherheitsbehörden nannten laut Hongkonger Presseberichten folgendes Beispiel: Kaum sei eine Nationale Sicherheitskonferenz zu Ende gewesen, sei das als „top secret“ klassifizierte Protokoll schon im Internet gewesen. Außerdem nehme Microsoft mit seinem Marktanteil von 98 Prozent im Reich der Mitte durch überteuerte Software wie Windows 95, 98, NT und 2000 das Land buchstäblich wie eine Weihnachtsgans aus, klagte die Ex-Generalmanagerin von Microsoft China, Wu Shihong. Andere Insider bestätigten ihren Vorwurf. Sie rechnen in Chinas Zeitungen vor, wie Bill Gates‘ Firma durch Lizenztricks und sein Monopol alle unter Vertrag genommenen chinesischen Unternehmen bis aufs letzte Hemd geschält habe. Als Alternative zu Windows-Betriebssystem gilt die chinesische Linux-Version „Rote Fahne“.

Das partielle Verbot der Anwendung von Microsoft-Betriebssystemen im staatlichen Bereich könnte nur ein Vorbote für weitere Eklats sein und dürfte für Chinas WTO-Beitritt eine negative Signalwirkung haben. Denn sollte Peking aus politischen Gründen das Teilverbot durchsetzen, könnte dies schnell Schule machen. Wer weiß schon, wessen Produkte anti-chinesischen Kräften welche Türe und Tore öffnen könnten?

Aus dem Fachministerium für Informationstechnologie verlautet: Die Beteiligung ausländischer Firmen an Internet-Geschäften müsse strengstens überwacht werden. So sei daran gedacht, ausländischen Anbietern vorzuschreiben, mit welchen lokalen Partnern sie zusammenarbeiten müssen.

Shi Ming