Indonesiens mutige Suche nach der Wahrheit

In Jakarta müssen sich erstmals Militärs für den Terror in Osttimor rechtfertigen

Bangkok (taz) – „Über das, was als systematische und totale Zerstörung und Brandstiftung in Osttimor bezeichnet wird, will ich nicht reden“, erklärte Indonesiens Ex-Geheimdienstchef Zacky Anwar Makarim. „Aber ich will zugeben, dass dort ein bisschen abgefackelt wurde. Das gehört eben dazu, wenn die Leute Amok laufen. Sie lassen ihren unkontrollierbaren Gefühlen Lauf, indem sie alles anzünden, um ihre heftige Wut zu befriedigen.“

Generalmajor Zacky gehört zu jenen Militärs, denen die Verantwortung für den Terror in Osttimor vor und nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom 30. August 1999 angelastet wird: 70 Prozent aller Gebäude wurden damals zerstört, womöglich über tausend Menschen ermordet. Seine Aussage vor der indonesischen Ermittlungskommission über Menschenrechtsverletzungen in Osttimor in dieser Woche ist Höhepunkt einer bemerkenswerten Entwicklung. Denn erstmals in der Geschichte des Landes müssen sich hohe Offiziere öffentlich für ihre Taten rechtfertigen.

Dem neuen Präsidenten Abdurrahman Wahid mit einer Nähe zu ehemaligen politischen Häftlingen und Bürgerrechtlern stehen Militärs und Politiker gegenüber, die dem Diktator Suharto dienten und dafür mit Straflosigkeit belohnt wurden. Der Gedanke, dass sie einmal ernsthaft Rechenschaft ablegen müssen, ist den meisten noch völlig fremd. Die indonesische Presse, so frei wie nie zuvor, berichtet der erstaunten Öffentlichkeit täglich die Missetaten der Armee – und über die Arroganz und Dreistigkeit, mit der sich die Generäle aus der Affäre zu ziehen versuchen. So behauptete Zacky, er wisse nicht, gegenüber wem er während seines Einsatzes in Osttimor verantwortlich gewesen sei.

Der sich so ahnungslos gebende Zacky war damals Verbindungsoffizier zwischen der indonesischen Armee und der UNO-Mission in Osttimor. Wie sein damaliger Armeechef Wiranto streitet er ab, dass die Armee die proindonesischen Banden ausgebildet, bewaffnet und unterstützt habe. Stattdessen, so befand er, hätten die Anhänger der Unabhängigkeit mit Hilfe von Australiern einen Großteil Osttimors zerstört. Die Australier sind bei indonesischen Militärs verhasst, da sie die multinationale Interfet-Truppe anführen, die den Terror beendete.

Die indonesische Ermittlungskommission war im September vom damaligen Präsidenten B.J. Habibie ins Leben gerufen worden, weil die Regierung eine Untersuchung durch die UNO ablehnte. Zu den Mitgliedern zählen einheimische Menschenrechtsanwälte. Stück für Stück tragen sie die Zeugnisse über das Geschehen im letzten Sommer zusammen, das die Generäle noch so heftig leugnen. So gab Milizenführer Joni Marques kürzlich zu, sechs katholische Kirchenmitarbeiter und einen indonesischen Journalisten in Osttimor auf Befehl von Militärs ermordet zu haben– noch nach der Landung der Interfet.

Vor wenigen Tagen gaben die Ermittler auch bekannt, dass sie die Kopie eines Dokumentes hätten, in dem befohlen wird, wichtige Gebäude in Osttimor niederzubrennen. Wenn, wie der Anwalt Munir glaubt, das Papier echt ist, könnte es Jakartas Verantwortung für die Zerstörung Osttimors beweisen: Denn das nach dem Unterzeichner benannte „Garnadi-Dokument“ trägt den Briefkopf des damaligen Ministers für Politische Angelegenheiten und Sicherheit, Feisal Tanjung. Der frühere Armeechef hatte zur Vorbereitung des Referendums eine Sondereinheit eingesetzt, dessen Leiter sein Assistent war, Brigadegeneral Garnadi. Als die Ermittler diesen mit dem Dokument konfrontierten, bestätigte er zwar den Briefkopf und seine Unterschrift – vom Inhalt aber habe er nichts gewusst.

Trotz aller Widerstände lässt sich die Kommission nicht entmutigen. Nach dem Ende des Ramadan will sie weitere Verantwortliche vorladen. Der Terror in Osttimor ist dabei nur eines der Verbrechen des Militärs, für die noch niemand zur Verantwortung gezogen wurde. Jutta Lietsch