Das Wintergetränk

„Caipirinha 9 DM“: Mit ein paar Fördergeldern könnte man aus Kuba eigentlich einen richtig tollen Berliner Club machen

Cola konnte man nur kaufen, wenn man dazu einen anständigen Hieb Rumerwarb. Mir war das recht

Einer der ekelhaftesten Kuba-Filme lief 1974, er endete mit dem Satz „Cuba Libre – Erst wenn es wieder Cola zum Rum auf Kuba gibt, wird die Insel wirklich frei sein!“ Damals gab es nur eine Art Ost-Cola dort. Auch ich fand es einige Jahre später noch kurios, dass man diese komische Cola auf Kuba nur kaufen konnte, wenn man einen anständigen Hieb Rum dazuerwarb. Mir war das recht.

Der ARD-Film war ein antikommunistischer Propagandaschinken. Heute macht man so etwas anders. Mit Wim Wenders, dessen Propagandadebüt der CDU-Berlinfilm „Himmel über Berlin“ war. Als nächstes pries er für den Ost-Immobilienentwickler Roland Ernst die Hackeschen Höfe als Berlins „magischen Ort“. Dann kam sein Kuba-Film „Buena Vista Social Club“, womit Wim erneut mit Wum eine ideologische Lawine lostrat: Auf den Filmfestivals werden die Kuba-Filme seitdem im Dutzend eingereicht.

Alle schwankten sie hinterhältig zwischen erotischer Verherrlichung der karibischen Armut und einer Verdammung des kommunistischen Castro-Regimes. Die Cola ist da, es gibt eine Parallelwährung: den Dollar, und jetzt wird um jeden Quadratzentimeter Freiheit gerungen – von Mann zu Mann bzw. Frau quasi. Und dazu gibt es herrliche Musik – gratis. Ich habe diese Altherren-Bands in den Achtzigerjahren an der Schweinebucht gehört – damals gab es noch kaum eine Dollar-Zweitwährung auf der Insel. Und deswegen die Livemusik dort – anstatt des Frühstücks. Gelegentlich traf man auf Ostberliner „Cuba Si“-Leute, die Spenden ablieferten, um dem Mangel entgegenzuwirken. Was zieht aber nun diese ganzen Filmemacher nach Kuba? Ein dort seit 15 Jahren lebender Kameramann erzählt: Fast täglich kommen Teams aus Europa: Arte, Vox etc. an. Sie gehen durch die Straßen, beim verfallendsten Haus bleiben sie stehen und fangen an zu filmen.

Dennoch sind alle begeistert von Kuba und wollen bald wiederkommen. Ihr Film, der in Verfall schwelgt und Sozialismen ironisiert, geißelt dann vor allem das kubanische Regime. Es ist die immer gleiche verlogene Melange aus Schickfinden und Niedermachen. Kuba ist für die Medienschickeria dasselbe, was für die jungen Studenten hier die Ostberliner Club-Scene ist. Auf Kuba ergötzt man sich an den Che-Guevara-Konterfeis und den letzten realsozialistischen Losungen, und daheim die Clubs sind voll gehängt mit DDR-Paraphernalien bzw. im Original-DDR-Design durchgestylt. Mit Hilfe von Filmförderungsgeldern kann man sich halb Kuba derart cool umfunktionieren, tagsüber auftragsgemäß angestrengt mit der Kamera herumfuchteln und nachts ausgelassen herumficken und -saufen: Cuba Libre. Quod erat demonstrandum!

Meidet diese schweinischen Kuba-Filme! Ich sage das völlig uneigennützig. Und obwohl auch meine Freundin Dorothee einmal das Guerilla-Lehrbuch von Che Guevara verfilmte, zusammen mit Detlef Kuhlbrodt und Daggie Brundert. Das haben die beiden lange vor Wim Wenders verbrochen – nach einer Kuba-Reise 1990. Aber das sagen sie alle – die Kuba-Filmer: „Ich habe lange vor Wim Wenders bereits an diesem Projekt gearbeitet!“ So sagen sie es! Sind das nicht ganz ganz traurige Tropen?!

Neulich las ich in unserem auch von Filmern gerne besuchten Kreuzberger „In-Club 69“ schon den werbenden Hinweis: „Das Wintergetränk! – Caipirinha 9 DM“. In einigen Kneipen der von Filmteams besonders gern – wegen seiner verfallenen Hausfassaden – heimgesuchten Hufelandstraße hängen Schilder mit der Aufschrift „Daiquiri – das neue Trendgetränk“ und „Moquito – Geschmack 2000“. Im Jungkünstlerclub Jubinal in der Auguststraße kann man zwischen „Caipirinha, Caipiroska, Caipirila, Caipiretta und Caipirissimo“ wählen. Um die Ecke – im edlen Adermann hängt sogar handgemalte Havanna-Zigarren-Reklame an den Wänden. Und das Hotel Savoy krempelt sein Café in eine Havanna-Tabatiere um.

Ähnliches gilt auch für den Russenmafiapuff in der Warschauer Straße, wo die berühmte Helena aus Kaliningrad anschafft: Der Hinterhofschuppen heißt plötzlich Wellness-Center Havanna. Das muss man sich mal vorstellen!Helmut Höge