Mehr als vier Millionen ohne Job

Rückgang gegenüber 1998. Quote im Osten doppelt so hoch wie im Westen. BA-Chef Jagoda sieht nur „zarte konjunkturelle Pflänzchen“ ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Mit 4.047.200 Arbeitslosen und einer Arbeitslosenquote von 10,3 Prozent geht die Republik ins Jahr 2000. Die Arbeitslosenquote im Osten ist dabei mit 17,7 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Westen mit 8,6 Prozent. Vor allem dank des bisher relativ milden Winters und der demografischen Entwicklung fiel der Anstieg gegenüber dem Vormonat November mit 146.500 zusätzlichen Arbeitslosen moderat aus. Bernhard Jagoda, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), sieht zumindest für die alten Bundesländer noch eine gewisse „konjunkturelle Aufhellung“. Das Wirtschaftswachstum reiche jedoch noch nicht aus, um „Beschäftigung und Arbeitslosigkeit entscheidend zu verbessern“.

Vor allem der Anstieg der Arbeitsproduktivität durch Rationalisierungserfolge sorgte dafür, dass der Arbeitsmarkt 1999 trotz hoher Preisstabilität, gestiegener Auslandsnachfrage und leichter Belebung der Inlandsnachfrage im Jahresdurchschnitt „keine wesentlichen Fortschritte gemacht“ habe, so Jagoda. Im Jahresdurchschnitt zählte die BA 4.099.200 Arbeitslose, das sind 180.100 weniger als im Vorjahr. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im zu Ende gegangenen Jahr wird von der BA auf 36,11 Millionen Menschen geschätzt, 110.000 mehr als 1998.

Während die Zahl der Arbeitslosen im Westen um fünf Prozent abnahm, verringerte sie sich im Osten nur um zwei Prozent. Ein Großteil des Abbaus der Arbeitslosigkeit beruht darauf, dass immer mehr ältere Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, als jüngere nachrücken. Weiter entlasteten Arbeitsbeschaffungs-, Umschulungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen den Arbeitsmarkt um 32.000 mehr als im Vorjahr. 86.600 junge Menschen befanden sich im Jahresdurchschnitt in Maßnahmen des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit.

„Zarte Pflänzchen der Konjunktur“ machte der BA-Chef jedoch aus, die jetzt „nicht kaputt getreten werden“ dürften. Positiv denken sei angesagt und es gelte, „vorhandene Lichtblicke auf dem Arbeitsmarkt“ auch zu entdecken. Einer davon seien die aktuellen Dezember-Zahlen. Im Westen lag die Zahl der Arbeitslosen mit 2,69 Millionen zwar um 86.400 über dem Wert des Vormonats, aber um 194.800 niedriger als im Dezember 1998. Ein anderes Bild im Osten: 1,36 Millionen Menschen ohne Job sind 60.200 mehr als im Vormonat und auch 44.700 mehr als 1998. Dennoch ermutigt es Jagoda, dass in den neuen Ländern erstmals in einem Dezember im Vergleich zum Vorjahr sich weniger Menschen arbeitslos gemeldet und zugleich mehr Menschen ihre Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme beenden konnten.

Während die Nürnberger Behörde mit 3,74 Millionen angebahnten Beschäftigungsverhältnisse ihren Vorjahresrekord um zwei Prozent verbessern konnte, kann sich Bundesfinanzminister Hans Eichel über zusätzliche Einnahmen freuen: Die BA benötigt vom im Etat 1999 eingeplanten Bundeszuschuss in Höhe von 11 Milliarden Mark nur rund 7,3 Milliarden Mark.

Für das Jahr 2000 rechnet Jagoda mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 200.000 auf 3,9 Millionen. Bundesarbeitsminister Riester hatte einen Abbau von 300.000 geschätzt. Die möglichen Auswirkungen der Steuerreform und der kommenden Tarifrunde wollte Jagoda aber nicht prognostizieren: „Ich bin der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit und nicht der Bundesanstalt für alles.“