Mit den Lira-Damen nach Sydney

Gegen starke Konkurrenz spielt das von drei Italien-Profis verstärkte deutsche Volleyball-Team der Frauen ab heute um die Olympia-Qualifikation ■ Aus Bremen Oliver Camp

Same procedure wie jedes Jahr: das Sechs-Nationen-Turnier der Volleyball-Damen in der Bremer Stadthalle. Heute geht es los, es ist dies die 21. Auflage. Aber in diesem Jahr hat das Turnier besondere Bedeutung: Es geht um das europäische Olympia-Ticket. Bis Sonntag hechten und baggern neben den Deutschen Vize-Europameister Kroatien, der EM-Dritte Italien, der EM-Fünfte Niederlande, die Ukraine und Rumänien. Nur die Turniersiegerinnen qualifizieren sich direkt für Sydney.

Nach dem hervorragenden 4. Platz bei der EM 1999 in Italien hat Gastgeber Deutschland durchaus Chancen, zumal Bundestrainer Hee Wan Lee mit den Italien-Profis Susanne Lahme, Sylvia Roll und Hanka Pachale zusätzliche Topspielerinnen zur Verfügung stehen. Bei der EM hatten die Lira-Damen noch gefehlt.

Volleyball wäre bei den olympischen Hallenwettbewerben eine der wenigen Spielsportarten mit deutscher Beteiligung. Das gäbe viel Aufmerksamkeit und könnte in der Folge mehr Jugendliche für das schnelle Schmetterspiel begeistern. Nachdem die bundesdeutschen Volleyballherren die Qualifikation verpasst haben, haben Volleyball-Verband (DVV) und Organisatoren keine Mühen gescheut, um einen spannenden Turnierverlauf zu inszenieren: Zum Auftakt trifft die deutsche Sechs zunächst auf die Ukraine und morgen auf die ebenfalls vermutlich eher leichten Gegnerinnen aus Rumänien. Ab Freitag warten dann die Niederländerinnen, die Kroatinnen und am Sonntag die Italienerinnen.

Die Bedeutung des Turniers weckt auch das Interesse von Geldgebern: Zum ersten Mal seit Jahren hat das Bremer Turnier mit dem Joghurthersteller Bauer wieder einen Titelsponsor. Der nimmt erfreut zur Kenntnis, dass der NDR (Freitag/Samstag) und die ARD (Sonntag) für Live-Übertragungen gewonnen werden konnten. So wird der Volkssport zumindest in der fußball- und skisprungfreien Zeit zum Medienereignis.

Die letzte Testspielserie gegen die Niederlande endete ausgeglichen (0:3, 3:1, 2:3 und 3:2). Dabei setzte der 43-jährige südkoreanische Bundestrainer in der Anfangsformation auf Tanja Hart (Karbach) im Zuspiel, Susanne Lahme (Perugia) und Christina Schultz (Schwerin) im Mittelblock, Hanka Pachale (Modena) auf der Diagonalposition und Sylvia Roll (Calabria) sowie Angelina Grün (Münster) im Außenangriff. Kerstin Tzscherlich (Dresden) spielte den Liberapart. Mit Beatrice Dömeland und Peggy Küttner (beide Dresden), Angelina Grün (Münster), Jana Vollmer (Luzern) und Christina Benecke (Tortoreto) stehen weitere erfahrene Spielerinnen bereit.

Trotzdem: Die Favoriten des Turniers sind Kroatien und Italien. Beide haben im November am World Cup in Japan teilgenommen und viel Spielpraxis gesammelt. „Die fehlt uns“, kommentiert Lee Hee Wan. Die Vorbereitungszeit des deutschen Teams seit dem 13. Dezember gilt schon als vergleichsweise lang. Von den ernsthaften Absichten der italienischen Auswahl weiß Susanne Lahme: „Die bereiten sich schon seit Monaten intensiv vor. Die Nationalspielerinnen sind alle aus ihren Verein herausgezogen worden. Die gehen besser vorbereitet ins Turnier als wir – aber das war ja schon immer so.“ Kroatien hat vier russische Olympia-Siegerinnen von 1988 eingebürgert, die Holländerinnen nominierten neun Legionärinnen und ihren 30-jährigen Superstar Cintha Boersma (403 Länderspiele).

Im Vorjahr wurde das Bremer Turnier durch Show-Einlage-Spiele von kubanischen und russischen A-Jugendlichen entwertet. Diesmal zählt allein der Sport: „Auf Grund der großen Nachfrage rechne ich damit, dass wir die Stadthalle an den letzten beiden Tagen ausverkaufen können“, erklärt Rainer Prahl vom Organisationskomitee. 6.000 Plätze fasst die Halle. Zur Schaffung der erhofften Begeisterung bezuschusst der Verband die Anreise von Fanclubs aus Leverkusen, Schwerin, Münster und Karbach.

1996 qualifizierten sich die deutschen Damen in Bremen triumphal für die Olympischen Spiele in Atlanta. Sollte all der Vorbereitungs- und Inszenierungszauber aber versagen, bleibt noch eine zweite Chance: Als zwölfte der Weltrangliste können sie im Juni beim letzten Qualifikationsturnier in Tokio starten. Dann allerdings ohne Heimvorteil, ohne Fanclubs und ohne Joghurt.