Der Staatsanwalt hat das Wort

■ Heute will die Anklagebehörde in Bonn die baldige Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Abgeordneten Helmut Kohl bekannt geben. Seine Anwälte haben keine entlastenden Unterlagen geliefert

Berlin (taz) – Jetzt wird es ernst für Helmut Kohl. Die Bonner Staatsanwaltschaft wird nach Informationen von dpa übermorgen das Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen den Altbundeskanzler einleiten und heute bekannt geben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte die Meldung weder bestätigen noch dementieren. Die endgültige Entscheidung werde frühestens heute fallen.

Offenbar will die Anklagebehörde nicht mehr auf die angekündigten entlastenden Unterlagen von Kohls Anwalt warten. Der hat es sich inzwischen ohnehin anders überlegt: Gegenüber der taz sagte Stephan Holthoff-Pförtner: „Wir warten jetzt erst mal ab, welche Straftatbestände die Staatsanwaltschaft untersuchen will.“ Erst wenn das Verfahren eröffnet sei, werde die Kanzlei die entlastenden Unterlagen der Staatsanwaltschaft übergeben.

Die Staatsanwaltschaft will nach dpa-Informationen heute Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Kohl selbst offiziell informieren. 48 Stunden danach kann das Verfahren eröffnet werden. Die Immunität des Abgeordneten Helmut Kohl ist automatisch aufgehoben, wenn der Bundestagspräsident innerhalb dieser Frist nicht widerspricht.

Es wäre nicht das erste Mal, dass gegen Helmut Kohl ermittelt wird. Bereits vor dreizehn Jahren wurden gegen ihn im Zusammenhang mit der Flick-Affäre zwei Verfahren eröffnet – und später wieder eingestellt. Ermittlungsverfahren gab es in der Geschichte der Bundesrepublik nur gegen einen einzigen Kanzler: Kohl.

Zur Eröffnung des Verfahrens reicht ein „hinreichender Tatverdacht“. Der Bonner Oberstaatsanwalt Bernd König sagte, die Erklärung Kohls, er habe über Sonderkonten verfügt, könnte den Anfangsverdacht einer Straftat wegen Untreue bereits begründen. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auch auf einen Text von CDU-Generalsekretärin Angela Merkel. Sie hatte erklärt, durch das Verhalten Kohls in der Parteispendenaffäre sei ein Geldschaden für die CDU entstanden. Schließlich drohten der Partei jetzt Rückzahlungen in Millionenhöhe.

CDU-Generalsekretärin Angela Merkel ist inzwischen noch einmal in die Offensive gegangen. Sie warnte ihre Kritiker vor der Auffassung, dass eine konsequente Aufklärung der Affäre das Denkmal Kohl stürzen werde: „Nur wer aufklärt, kann die historischen Verdienste Helmut Kohls für Deutschlands Einheit bewahren.“ Merkel hatte ihre Partei aufgefordert, sich von Kohl zu lösen. Dafür war sie von den Mitgliedern des ehemaligen Kohlschen Küchenkabinetts, wie Ex-Kanzleramtschef Friedrich Bohl, heftig kritisiert worden. Gestern stärkten ihr dagegen die CDU-Präsidiumsmitglieder Christian Wulff und Christa Thoben den Rücken: Merkel habe mit ihrer Forderung nach mehr Emanzipation von Kohl völlig Recht. Tina Stadlmayer