Schonfrist für Kanadas Urwälder?

Kanadische Konzerne bieten ein Moratorium beim Einschlag an, nachdem die deutsche Papierindustrie mit Vertragskündigung gedroht hat ■ Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – Nach monatelangen Diskussionen kündigt sich für die Urwälder an der kanadischen Westküste eine Schonfrist vor dem Abholzen an. Nachdem die deutschen Zeitschriftenverlage und Papierhersteller angedroht hatten, ihre Lieferverträge mit den kanadischen Holzfirmen wegen deren brachialen Einschlagsmethoden zu kündigen, boten diese Konzerne nun informell einen Kompromiss an. Man sei grundsätzlich bereit, für 18 Monate den Einschlag in bestimmten Gebieten zu stoppen und zu verhandeln, hatten die Firmen den Vertretern der Papier- und Zeitschriftenindustrie am vergangenen Dienstag anlässlich eines Spitzengespräches derselben in Hamburg vermitteln lassen.

Pro Jahr beziehen die deutschen Papierhersteller rund 800.000 Tonnen Zellstoff im Wert von 500 Millionen Mark aus Kanada. Greenpeace hatte im August dieses Jahres Vertreter der deutschen Industrie nach Kanada eingeladen, um ihnen die Kahlschlaggebiete zu zeigen. Die Teilnehmer der Reise waren reichlich entsetzt und rangen sich zu einer klaren Position gegenüber den kanadischen Holzkonzernen durch: Sie forderten einen Einschlagsstopp und grundsätzlich nur noch schonende Waldnutzung. Sonst, so hatte die Industrie angekündigt, steige man aus den teilweise jahrzehntealten Geschäftsbeziehungen aus. Dahinter steht die Einsicht, dass die letzten 20 Prozent der uralten Regenwaldtäler zwischen Vancouver und Alaska vom Kahlschlag verschont bleiben müssen.

Bis Ende Januar müssen nun Konzerne, der Verband deutscher Papierfabriken (VdP), der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VdZ) und Umweltverbände, darunter Greenpeace, aushandeln, wie viele und welche Gebiete unter das Einschlagsmoratorium fallen. Thomas Henningsen, Waldexperte bei Greenpeace, befürchtet, dass sich die kanadischen Konzerne genau in diesem Punkt ein Schlupfloch gelassen haben, indem sie das Moratorium nur für die Täler vorschlagen, in denen sie sowieso nicht arbeiten können oder wollen. Damit will Greenpeace sich auf keinen Fall zufrieden geben. „Während man über einen Kuchen verhandelt, kann man ihn nicht essen. Deshalb haben wir eine Liste derjenigen Täler vorgelegt, die während der Gespräche tabu sind, sonst werden die Verhandlungen sinnlos“, sagte Henningsen.

Der Verband deutscher Papierfabriken glaubt dagegen nicht, dass die maximale Forderung der Umweltschützer umgesetzt werden kann. Für Täler, in denen zwar nicht die großen, aber sehr wohl kleinere Firmen einschlagen, die der Initiative nicht angehören, kann danach schlecht ein Moratorium verhängt werden. „Diese Firmen können nicht in andere Gebiete ausweichen. Und die Provinzregierung wird diese nicht zu einem Einschlagsstopp zwingen, da sie dann Entschädigungen zahlen muss. Dazu ist man nicht bereit.“ Die Annäherung zwischen Kanadiern und Deutschen wertet der Verband allerdings als Erfolg.

Grundsätzlich könnte die Papierindustrie nach Ansicht von Greenpeace ausweichen auf europäische Wälder, zum Beispiel Skandinavien, sollte die Kündigungsdrohung wahr werden müssen. Den Lieblingswunsch der Umweltschützer wird die Papierindustrie aber wohl auch dann nicht erfüllen: das rundum urwaldfreie Papier. Klaus-Peter Petschat, zuständig beim Hamburger Bauer Verlag für die Zeitschriftenproduktion, kann sich zwar vorstellen, das in Mitteleuropa und Skandinavien keine Urwälder eingeschlagen werden – nicht aber für Osteuropa. „Urwaldfrei – das ist ein ganz gefährliches Wort. In Osteuropa ist die Nutzung der Wälder oft die Lebensgrundlage für die Menschen, da kann Einschlag nicht verboten werden.“ Petschat, dessen Verlag rund 300.000 Tonnen pro Jahr verbraucht, verweist lieber auf das Recycling und die technischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit. Die haben mittlerweile wahr gemacht, was vor wenigen Jahren noch undenkbar war: Zeitschriften vollständig aus Altpapier herzustellen. Das „Aufgebesserte Zeitungspapier“ (AZP) ermöglicht es, dass der Verlag mittlerweile rund 33 Prozent seiner Zeitschriften auf AZP herstellt, europaweit wird eine Million Tonnen des Papiers hergestellt. Die Grundlage für das Recyclingpapier stammt zum großen Teil aus der Sammelwut der deutschen Haushalte – sehr zum Gefallen von Petschat.