Bomben beim Wahlkampf in Sri Lanka

Bei einer Kundgebung von Präsidentin Kumaratunga sprengt sich eine Attentäterin in die Luft. 22 Menschen sterben, doch die Regentin überlebt. Der Anschlag könnte ihr zum Sieg verhelfen ■ Aus Colombo Bernard Imhasly

Bei einem Attentat in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo ist die Präsidentin des Landes, Chandrika Kumaratunga, verletzt worden. 22 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, weitere 84 erlitten Verwundungen, als sich eine Selbstmordattentäterin nach einer Wahlkundgebung am Samstagabend der Präsidentin näherte und eine auf den Körper geschnürte Bombe zündete. Nur wenige Minuten zuvor hatte ein Mann auf einer Veranstaltung der Oppositionspartei UNP in einigen Kilometern Entfernung eine Granate auf das Podium geworfen, welche zwölf Menschen tötete und weitere 45 verwundete.

Die Präsidentin hatte soeben die letzte Kundgebung vor der Präsidentenwahl am Dienstag beendet und war im Begriff, ihren gepanzerten Mercedes zu besteigen, als die Attentäterin auf der anderen Seite des Wagens die Explosion auslöste. Unter den Verletzten befinden sich drei Minister sowie ein indischer Kameramann der ARD und ein japanischer Journalist. Die Präsidentin erlitt Verletzungen im Gesicht. Nach Angaben des Informationsministeriums soll ihr rechtes Auge durch Splitter beschädigt worden sein. Informationsminister Sawaraweera erklärte, die Verletzung sei nicht schwer, und die Präsidentin habe vom Krankenbett aus ihre Arbeit wieder aufgenommen.

In den Krankenhäusern im Zentrum der Stadt boten sich in der Nacht zum Sonntag Bilder des Grauens. Verletzte wurden in die Behandlungsräume geschoben, in den Gängen lagen Leichen. Angehörige der Opfer machen die Rebellengruppe „Befreiungstiger für Tamil Eelam“ (LTTE) für die beiden Explosionen verantwortlich. Sie sparten aber nicht mit Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen der Behörden.

Politische Morde durchziehen die jüngste Geschichte Sri Lankas; auch Kumaratungas Vater und ihr Ehemann fielen Attentaten zum Opfer. Die Präsidentin erklärte in ihrer letzten Wahlansprache, sie wisse, dass man ihr nach dem Leben trachte. Dies sei der Grund, warum die Sicherheitsvorkehrungen einen solchen Graben zwischen ihr und dem Volk schafften – ein Graben, der von der sprengstoffbeladenen Attentäterin allerdings spielend überbrückt wurde.

Die Wahlen sollen aufjeden Fall stattfinden

Selbstmordattentate sind eine bewährte Methode der LTTE. Bisher hat sich die tamilische Guerillatruppe aber zu keinem der beiden Anschläge bekennen wollen. Dennoch machen sowohl die Regierungspartei wie auch der Oppositionskandidat Ranil Wickremasinghe die Tamil-Tiger für das Attentat auf Kumaratunga verantwortlich. Allerdings schiebt Wickremasinghe die erste Explosion bei der Wahlveranstaltung seiner UNP der regierenden Volksallianz in die Schuhe – ein Zeichen, mit welcher Erbitterung die beiden Kandidaten ihren Wahlkampf geführt haben.

Alle Parteien betonten jedoch, dass die Präsidentenwahl am Dienstag durchgeführt werden müsse, da die LTTE mit den Anschlägen genau dies hatte verhindern wollen. Die Polizei verhaftete gestern siebzehn Verdächtige.

Vor einem Monat hatte LTTE-Führer Vellupillai Prabhakaran in einer Radiosansprache die Wahlen eine Farce genannt und die Bevölkerung zum Boykott aufgefordert. Gleichzeitig hatten seine Kämpfer eine Offensive im Zentrum des Nordteils der Insel gestartet. Sie zwang die Armee zur Aufgabe großer Geländeabschnitte, die sie im Verlauf der letzten zwei Jahre erobert hatte, um das Territorium zwischen dem singhalesischen Südteil und der Halbinsel Jaffna zu überbrücken. Vor einer Woche begann die LTTE auch Stützpunkte in Jaffna direkt anzugreifen, für Beobachter ein erster Schritt zur Rückeroberung dieses tamilischen Herzlands.

Laut Angaben der Armee sollen bei den Kämpfen rund um den Elefantenpass, der Jaffna mit der Hauptinsel verbindet, 480 Rebellen und 28 Soldaten ums Leben gekommen sein. Die LTTE verbreitete dagegen über ihren Radiosender, auf Seiten des Militärs seien hunderte Soldaten getötet worden, in den eigenen Reihen beklage man 78 Opfer. Beide Angaben sind wenig glaubwürdig, da sowohl das Militär als auch die Rebellen Opferzahlen gerne zu Propagandazwecken manipulieren.

Wie schwer verletzt ist die Präsidentin wirklich?

Die Eskalation wird in Colombo als Versuch der LTTE gelesen, Kumaratungas Chancen wieder gewählt zu werden, zu mindern. Die Rebellen wollten demonstrieren, dass die amtierende Präsidentin nicht in der Lage sei, den ethnischen Konflikt zu lösen. Das Attentat dürfte jedoch eine Sympathiewelle für Kumaratunga aus|ösen und ihr doch noch zu dem in den letzten Wochen immer unsicherer gewordenen Sieg verhelfen.

Aus Sorge vor Vergeltungsakten, so der Informationsminister, wandte sich Kumaratunga gestern nur per Radio an das Volk. Der Anblick ihres verbundenen Gesichts im Fernsehen hätte die Emotionen überborden lassen. Die Opposition dagegen argwöhnt, dass die Verletzungen der Präsidentin so schwer sein könnten, dass ihre Amtsführung in Frage gestellt sei.