Von Lipobay und anderen Pillen

Die Arzneimittelausgaben explodieren. In fast allen Bundesländern sind die milliardenstarken Arzneimittelbudgets seit Wochen ausgeschöpft.

Verschreiben die Ärzte zuviel? Der neueste Arzneimittelreport zählt für 1998 bei weitem nicht so viele Verordnungen wie für 1992. Aber der Umsatz machts: Rund 36 Milliarden Mark gaben die gesetzlichen Krankenkassen 1998 für Fertigarzneimittel aus. Schuld an der Ausgabenspirale sollen vor allem die verordneten Lipidsenker sein. Langfristig drücken diese Medikamente den Fettspiegel im Blut, kurzfristig bescheren sie der Pharmaindustrie traumhafte Gewinne.

Beispiel Lipobay: Der Pharmariese Bayer kam 1997 mit dem Wirkstoff Cerivastatin heraus. Horst Mayer, Leiter des Geschäftsbereichs Pharma bei der Bayer AG, versprach seinerzeit, Lipobay werde bald zu den „großen Drei“ der umsatzstärksten Medikamente zählen. Der Markteinführung wurde offenbar nachgeholfen: Wer mindestens 25 Kranke auf Lipobay einstelle, dürfe einmal mit dem Orientexpress fahren, berichtet der Mediziner Udo Böhm. Zuvor aber sollte der Allgemeinarzt aus Unterwössen die Namen der Patienten preisgeben, „um den Firmennutzen und die Zuverlässigkeit des Arztes genau kontrollieren zu können“. Bayer dementiert, Ärzte mit Reisen im Luxuszug geschmiert zu haben. Bei dem Trip habe es sich um „eine Informationsveranstaltung für süddeutsche Ärzte“ gehandelt. Den teilnehmenden Ärzten hätten „anerkannte Kapazitäten der medizinischen Wissenschaft als Diskussionspartner zur Verfügung gestanden“.

Nach Angaben des wissenschaftlichen Instituts der AOK brachte Lipobay 1997 nach seiner Markteinführung einen Umsatz von 13,1 Millionen Mark, 1998 waren es 109,2 Millionen und im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits 82,2 Millionen Mark. roga