Wo waren wir gleich stehen geblieben?

Zuletzt 1996 haben Israel und Syrien über die Golanhöhen verhandelt. An Ergebnisse erinnern sich beide Seiten unterschiedlich

Wenn sich heute Abend der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und der syrische Außenminister Faruk asch-Scharaa in Washington zusammensetzen, werden sie nicht beim Nullpunkt beginnen. Beide Seiten seien übereingekommen, dort weiterzumachen, wo die Verhandlungen 1996 abgebrochen wurden, verkündete US-Präsident Bill Clinton letzte Woche. Über weitere Details schwieg er sich allerdings aus. Nun lautet die Gretchenfrage: An welchem Punkt waren beide Seiten damals angelangt? Während sich die israelische Seite dazu nur sehr verhalten äußert, erklärte der syrische Außenminister vor kurzem in einem Interview mit der arabischen Zeitschrift al-Wasat (Die Mitte), seinerzeit seien bereits 80 Prozent der Streitpunkte abgehakt worden. Unklarheit herrscht allerdings darüber, in welchen Punkten man sich damals bereits einig war. Laut syrischer Version soll der damalige israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin vor seiner Ermordung mündlich einen vollkommenen Rückzug vom Golan versprochen haben. Nach damaliger Verhandlungsführung war es üblich, alle Punkte der Einigung bei den US-Vermittlern als erledigt zu „hinterlegen“. Bisher hat sich derjenige, der es also wissen müsste, nicht dazu geäußert. Die US-Regierung hat die syrische Version weder dementiert noch bestätigt. Man darf wohl davon ausgehen, dass ein vollkommener israelischer Rückzug aus dem Golan zumindest als Gedankenspiel Thema der Verhandlungen war. Doch der Teufel in den syrisch-israelischen Verhandlungen liegt auch im Detail. Es geht nicht nur um das Ausmaß des israelischen Rückzugs, sondern auch um den Charakter des im Gegenzug dazu von Syrien angebotenen Friedensvertrages, um Sicherheitsgarantien und um die Nutzung des Golan-Wassers.

Israel fordert einen „warmen Frieden“, ähnlich wie er mit Jordanien inzwischen Realität geworden ist. Offene Grenzen, freier Handel und Reiseverkehr sowie diplomatische Vertretungen auf beiden Seiten sollen danach Normalität sein. Syrien dagegen verspricht Normalisierung erst nach einem vollkommen Rückzug aus dem Golan. Man könne nicht einfach auf ein Köpfchen drücken und nach 50 Jahren Kriegszustand über Nacht zu guten Freunden werden, heißt es aus Damaskus. Im Verhandlungspoker werden wohl Ausmaß und Schnelligkeit des Rückzugs und Ausmaß und Tempo der Normalisierung miteinander verquickt werden. Als am schwierigsten hatten sich bisher die von beiden Seiten geforderten Sicherheitsgarantien erwiesen. In früheren Gesprächen hatte die israelische Seite entmilitarisierte Zonen fast bis an die Stadtgrenze des nur 60 Kilometer entfernten syrischen Hauptstadt Damaskus sowie eine Verkleinerung der syrischen Armee gefordert. Beides war von Syrien als vollkommen inakzeptabel abgelehnt worden. Am Ende scheint sich Syrien mit einer kleineren entmilitarisierten Zone abgefunden zu haben. Allerdings forderte Damaskus gleiches von der Gegenseite.

Hauptknackpunkt in der Frage der Sicherheitsgarantien blieben die so genannten Frühwarnstationen, die Israel auf dem Golan als eine Art exterritoriales Gebiet behalten will. In Zeiten der digitalen Satellitenaufklärung, lautete damals das syrische Argument, sei ein derartiges Anliegen vollkommen unsinnig.

Bleibt das leidige Wasserproblem. Seit 1991 gibt es multilaterale Nahost-Gespräche um das wertvolle Nass. Syrien hat diese aber bisher immer boykottiert: zunächst müssten die territorialen Fragen geklärt werden. Israel argumentiert, seine Wasserversorgung hänge zu 60 Prozent von den Quellen des Golans ab. Aus Damaszener Sicht ist das Wasser des Golan schlichtweg „syrisches Wasser“, demnach Teil der Verhandlungsmasse.

Trotz der Komplexität der anstehenden Verhandlungen geben sich beide Seiten optimistisch. Ehud Barak bereitet die israelische Öffentlichkeit bereits auf den bevorstehenden Rückzug vor. Und sein Verhandlungspartner, der syrische Außenminister Scharaa, erklärte vor wenigen Tagen ungewohnt zuversichtlich, er rechne mit einem erfolgreichen Abschluss bereits in ein paar Monaten. Karim El-Gawhary, Kairo