Alter Trauzeuge wird neuer Koalitionspartner

■ Neuseelands Grüne unterstützen die neue rot-rote Minderheitsregierung. Die will das Leasing von Kampfflugzeugen überprüfen, Menschenrechte stärken und Steuern erhöhen

Auckland (taz) – Neuseelands erste linke Koalitionsregierung ist gestern in der Hauptstadt Wellington vereidigt worden. Die von der sozialdemokratischen Labour-Partei und dem Linksbündnis Allianz gebildete Regierung verfügt nur über 59 der 120 Sitze und ist damit auf die Unterstützung der Grünen angewiesen. Die kamen nach dem erst vorgestern verkündeten amtlichen Endergebnis mit 5,2 Prozent der Stimmen auf 7 Sitze, darunter das nach eigenen Angaben weltweit erste grüne Direktmandat in einem nationalen Parlament. Nach dem in der Wahlnacht vor zwei Wochen veröffentlichten vorläufigen Ergebnis waren die Grünen noch knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert.

Der neuen Regierung von Premierministerin Helen Clark (Labour) und Vize Jim Anderton (Allianz) kündigte Steuererhöhungen für Besserverdienende mit einem Jahreseinkommen von über umgerechnet 55.000 Mark an sowie moderate Rentenanhebungen und Finanzspritzen für das Not leidende staatliche Gesundheitssystem.

Clark und Anderton wuchsen beide in der Labour-Partei auf, wobei er sogar Clarks Trauzeuge war. Die beiden entzweiten sich jedoch Mitte der 80er-Jahre über Labours neoliberalen Kurs. Anderton sah den als Verrat und gründete seine eigene Partei. Nachdem Labour inzwischen wieder auf einen eher sozialdemokratischen Kurs zurückgeschwenkt ist, will die neue Regierung jetzt ein Gesetz der bisher regierenden Nationalpartei aufheben, das die Tarifautonomie beseitigte und die Gewerkschaften entmachtete.

Der neuen Regierung gehören sieben Frauen an. Als Minister für Äußeres und Handel sowie für Abrüstung und Rüstungskontrolle wurden zwei ehemalige Anti-Vietnamkriegs-Aktivisten berufen. Außenminister Phil Goff kündigte bereits eine künftig stärkere Betonung der Menschenrechte an. Beschlossen wurde auch die Kündigung eines Leasingvertrags mit den USA über 28 F-16-Kampfjets. Die abgewählte Regierung hatte damit die unterkühlten Beziehungen zu Washington verbessern wollen, wobei Leasing angesichts der knappen Kassen als billigste Variante gesehen wurde. Sollte der Rücktritt vom Vertrag jedoch nur bei Zahlung hoher Vertragsstrafen möglich sein, hat die neue Regierung bereits schon den Rückzug vom Rückzug angekündigt.

Die Grünen ziehen jetzt im ersten Anlauf als eigenständige Partei ins Parlament, nachdem sie sich erst vor zwei Jahren von der linken Allianz getrennt hatten. Die Co-Parteivorsitzende Jeanette Fitzsimons, Ex-Hochschullehrerin und heutige Biobäuerin, gewann in der alten Hippie-Hochburg Coromandel mit 246 Stimmen Vorsprung das Direktmandat. Geholfen hat ihr dabei wohl auch der konservative Gegenkandidat. Er hatte das Gerücht verbreiten lassen, Fitzsimons unterrichte Jugendliche im Gebrauch von Drogen.

Mit dem 33-jährigen Nandor Tanczos wurde auch der Besitzer zweier Hanfläden von den überwiegend jungen, gut gebildeten städtischen WählerInnen der Grünen ins Parlament entsandt. Tanczos hatte sich als Mitglied der „Wild Greens“ durch spektakuläre Aktionen wie die Vernichtung von Feldern mit genmanipulierten Pflanzen in der öko-pazifistischen Widerstandsbewegung einen Namen gemacht. Forderungen konservativer Kreise nach dem Abschneiden seiner Dreadlocks weist er zurück, will allerdings im Parlament sein Schlabberhemd ersetzen durch einen Anzug – aus Hanf.

Obwohl die Grünen keinen Ministersessel besetzen, werden sie nicht unerheblichen Einfluss auf die neue Regierung haben. Denn diese ist auf ihre Stimmen angewiesen. Ihre vordringlichen Ziele sind die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Gen-Food, die Förderung der biologischen Landwirtschaft und der Stopp des Autobahnbaus. Übereinstimmung mit Labour wurde bereits in der Frage der Entkriminalisierung von Cannabis und der Einführung einer registrierten Lebensgemeinschaft für gleichgeschlechtliche Paare erreicht. Tibor Pirschel