Brutale Tricks, Spaß am Scheitern

Nicht immer lustig: Die Hamburger Zeichnerin und Autorin Simone Henneken stellt am Sonnabend im Metropolis ihren Legetrickfilm „Das deutsche Gesicht“ vor und musiziert mit den „Henneken Rockets“  ■ Von Lars Brinkmann

Ein Begriff wie „das deutsche Gesicht“ schleppt sich buckelig an übler Konnotation. Mit so etwas könnten Millionen gemacht werden, und aus solchen Unworten wollte schon so mancher Frühververgreiste, von Strauß bis Schlafbruder Schneider, ein hübsches Antlitz schnitzen. Doch dafür bedarf es ganz anderer Geister. Simone Henneken lässt bereits in der ersten Minute ihres kurzen, aber abendfüllenden Legetrickfilms keinen Zweifel daran, was sie vom „deutschen Gesicht“ hält: „Sylvia hat das deutsche Gesicht; es ist nicht alt, nicht jung, nicht schmal, nicht breit. Und es befindet sich eine bescheidene Nase in diesem Gesicht, die nicht groß, nicht klein, nicht lang und nicht kurz ist. Immer wenn man Sylvia ansieht, wünscht man sich von ganzem Herzen, dass die Nase jetzt hervorkommen soll, groß und stark werden und zu einem kräftigen Gerät anwachsen, das ihrem Gesicht Ausdruck und Würde verleihen könnte...“

Während die suggestiven Worte wie eine Werbebotschaft aus dem Off schallen, saugt Sylvia Staub. Man muss kein Schmutzteufel sein, um schon an dieser Stelle freudig aufzuschreien: „Ja, ja, Sylvia, saug Staub! Friss Staub! Friss meinen Staub!! Friss Scheiße!!!“ Denn wir wissen, Sylvia wird es schwer haben. Am schlimmsten sind dann die Szenen, in denen sie auf einem Hocker balanciert, um sich im Badezimmerspiegel die Schnittwunden ihrer Intimrasur anzusehen – uhhh... Sollte man gesehen haben. An anderer Stelle verliebt sich ihr Verlobter in eine Fummeltrine, und der große, böse Zottelhund kaut einem Frischverliebten das Ohr ab. Die nach Perfektion suchenden Legefiguren tapern dabei in seltsam verdrehter Motorik durch die tex-turarme Papierstadt. Simone: „Ich liebe einfach diese spastischen Bewegungen, die damit einherkommen, dass man mit Film und Legetechnik arbeitet. Das bekommt man so nie mit dem Computer hin.“ Vergesst South Park, diese Tricks sind zugleich subtiler und brutaler.

Das ist zwar nicht immer lustig, aber das soll auch nicht immer lus-tig sein. Denn den Luxus allumfassender Lustigkeit können sich seit dem Mittelalter nur noch angestellte Narren und lobotomisierte Alleinunterhalter leisten. Dafür wurde der Kurzfilm – wie die Arbeiten von den verbandelten (Animations-)Künstlern Mariola Brillowska und Felix Kubin – mit Mitteln der Filmförderung Hamburg finanziert. Kubin konnte durch diese Staatskultur tragende Unterstützung seinen Erstling Morgenröte, an dem Simone mitgezeichnet hat, kurz nach der Fertigstellung für einen Sack voll Euros ans spanische Fernsehen absetzen.

Am Sonnabend wird sich bei der Premiere von Das deutsche Gesicht im Metropolis die Möglichkeit bieten, Simone Henneken in Begleitung ihrer musikalischen Freunde als Henneken Rockets kennenzulernen. Kein Geld auf der Welt könnte ihr eine bessere Begleitung kaufen als diese versierte „Clique“ um Helgoland und Reznicek; letzterer und Rudi Burr spielten auch schon den Soundtrack zum Gesicht ein. Für diesen ganz besonderen Anlass schmeißen sich die fünf Brüder in Schale und springen in die Bresche, die ihnen Henneken aufreißt und -zeigt.

Die Musik ist kein Jazz, der Vortrag ist keine Poetry, und dennoch erinnert das Vorhaben ein wenig an seelige Beatnik-Zeiten, als noch geflügelte Worte zittrige Töne umkreisten. Doch das Konzept ist weniger lose, Sprache und Musik, live und vom Band, sollen sich nicht willenlos umschwirren, vielmehr werden sie sich in einem geschlossenen Block gegenseitig organisieren. Es gilt, einen gemeinsamen Fahrplan einzuhalten. Wie einer der Brüder vor der letzten Generalprobe ihr Arbeitsethos beschreibt: „Ratlosigkeiten und Zäsuren wird es ohnenhin genug geben, darum muss man eben die Anschlüsse so gut einüben, wie es eben geht.“

Recht hat er. Die Beteiligten arbeiten nur so hart, damit es ihnen und uns nachher umso mehr Spass macht, dem Scheitern zu begegnen. Das aber auf sehr hohem künstlerischen Niveau.

Premiere „Das deutsche Gesicht“ & Henneken Rockets, Sonnabend, 21.15 Uhr, Metropolis; „Das deutsche Gesicht“ (16,5 Min.) ist auch als Video erhältlich (25 Mark) bei: Henneken, Bremer Reihe 25, 20099 Hamburg