Bayer flieht vor Gewerkschaft

Produktion von Tabletten wird von einem US-Werk mit vielen Gewerkschaftern ins Ausland verlagert – unter anderem ins hoch subventionierte Bitterfeld  ■   Von Philipp Mimkes

Düsseldorf (taz) – „Es geht nicht nur um unsere Arbeitsplätze, es geht um die Zukunft unserer Kinder.“ Trudy Manderfeld, Gewerkschaftvorsitzende im Bayer-Werk Elkhart/USA, gibt sich kämpferisch. In der vergangenen Woche gab die Bayer AG bekannt, dass die Fabrik im Bundesstaat Indiana im nächsten Frühjahr geschlossen wird. 550 Chemie-Arbeitern wird gekündigt, nur wenige sollen einen Ersatzarbeitsplatz erhalten.

Manderfeld wirft der Geschäftsleitung vor, das Werk vorsätzlich heruntergewirtschaftet zu haben: „Unser Werk ist zum Abschuss freigegeben worden. Seit Jahren wurden wichtige Wartungsarbeiten nicht mehr durchgeführt, wir haben Schäden, die kaum noch behoben werden können. Niemand schenkt den Verantwortlichen bei Bayer jetzt noch Vertrauen.“

Bayer macht 30 Prozent seines Umsatzes in den USA, rund 24.000 Mitarbeiter erwirtschaften 16 Milliarden Mark jährlich. Der amerikanische Markt ist damit wichtiger als das deutsche Standbein. Die Fabrik in Elkhart gehört zu den wenigen Standorten in den USA, in denen Gewerkschaften vertreten sind – nur in sechs der über fünfzig Bayer-Werke sind die Arbeiter organisiert. Niedrige Löhne und geringer Widerstand bei Entlassungen sind die Folge.

Manderfeld: „Die von uns hergestellten Produkte werden zum Teil in Billiglohnländern und in Betrieben produziert, in denen es keine Gewerkschaften gibt. Die Vitamintabletten beispielsweise stellt das Werk in Pennsylvania her. Dort gibt es keine Gewerkschaften. Wenn wir Forderungen stellen, wird sofort mit einer Abwanderung zu den anderen Standorten gedroht.“ Manche Regionen in den USA locken ansiedlungswillige Unternehmen bereits mit dem Versprechen: „garantiert gewerkschaftsfrei“.

Die Produktion von Aspirin, Alka Seltzer und Vitamintabletten will Bayer von Elkhart nach Mexiko, Pennsylvania und Bitterfeld verlegen. Aspirin wird in Ostdeutschland mittlerweile billiger hergestellt als im Ausland – dank üppiger Staatssubventionen: Rund 50 Prozent der Baukosten für das Bitterfelder Werk wurden durch den Aufbau Ost finanziert. Auch in Mailand war die Aspirin-Fertigung kürzlich eingestellt worden, wegen Überkapazitäten entstehen in Bitterfeld jedoch keine neuen Arbeitsplätze.

Die Gewerkschaft in den USA verlangt hingegen die Instandsetzung des 1935 gegründeten Werks und Ersatzarbeitsplätze. Die Geschäftsführung möchte nur ein Weiterbildungsprogramm und Abfindungen bezahlen. Job-Versprechen will Werksleiter Mike Weaber nicht machen.

Schon im vergangenen Jahr waren in Elkhart 200 Arbeitsplätze weggefallen, als die Produktion für Zitronensäure eingestellt wurde. Die Schließung stand damals im Zusammenhang mit einer Strafe von 100 Millionen US-Dollar durch die US-Kartellbehörde gegen die Bayer-Tochter Haarmann & Reimer. Der Hersteller von Duftstoffen hatte mit der Konkurrenz Verkaufsquoten und Preise für Zitronensäure bis ins Detail festgelegt und anschließend die höchste Kartellstrafe in der amerikanischen Geschichte kassiert.