Stillstand bei Verhandlungen, Schweigen bei der SPD

■ Für seine Einsparungen bei der „Sächsischen Zeitung“ brauchte Gruner + Jahr den Segen der SPD. Streikende, Gewerkschaften und Sachsens SPD protestierten auf dem Parteitag

Dresden (taz) – „Das kann man doch nicht die Arbeitnehmer ausbaden lassen, was andere buchstäblich versaubeutelt haben“, sprach auf dem SPD-Parteitag der Kanzler. Und erntete nicht nur Beifall. Etwa 150 streikende Journalisten der Sächsischen Zeitung nämlich hatten ihren Arbeitskampf auf den Parteitag verlegt.

„Das hier ist genau die richtige Adresse für unsere Forderungen“, sagte Katrin Krüger, eigentlich Lokalredakteurin, derzeit aber in der Streikleitung engagiert. Grund für den Unmut: Gruner + Jahr, Mehrheitseigner am Dresdner Druck- und Verlagshaus (DD + V) und damit der Sächsischen Zeitung, hat sechs Lokalredaktionen ausgegliedert, andere sollen folgen –mit Zustimmung der SPD, die 40 Prozent am DD + V hält. Verlagsleiter Carsten Dietmann begründet die Maßnahmen mit der „wirtschaftlichen Lage“ des Verlages, die Streikenden befürchten Tarifflucht, Beschneidung der Pressefreiheit und Entmachtung des Betriebsrates. Wenn die Sozialdemokraten jetzt die „Tarifflucht“ bei der Sächsischen unterstützen, so Sachsens Fraktionschef Thomas Jurk in einem Brief an SPD an seinen designierten Generalsekretär Franz Müntefering, „dann wird man uns zu Recht Doppelzüngigkeit vorwerfen“.

Und obwohl sich SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler für die Belange der Streikenden eingesetzt haben soll, blieb am Sonntag eine Tagung des SPD-Präsidiums zum Thema ohne Folgen. Zumindest nach Einschätzung von Streikenden, Gewerkschaften und Sachsens SPD, die auf das keineswegs defizitäre Betriebsergebnis der Sächsischen Zeitung hinwies. Der Vertrag zur Ausgliederung sei nicht nur parteischädigend, hieß es in Kreisen sächsischer Delegierter, SPD-Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier verschleudere zudem SPD-Eigentum, denn: Für Entscheidungen in den neuen Regionalverlagen sind laut Satzung künftig 95 Prozent der Gesellschafteranteile notwendig, 90 Prozent davon halten die Regionalverlage selbst. Mit 10 Prozent ist das DD + V beteiligt, an dem die SPD wiederum 40 Prozent hält – bleiben ihr also ganze 4 Prozent. Von Mitsprache und Entscheidungskompetenz kann daher keine Rede mehr sein. „Der Minderheiteneigner SPD hat seine Zusage zu den Ausgliederungen geleistet, die bekommt man nicht mehr weg“, erklärte Gruner + Jahr-Sprecher Peter Casper Hamel. Grundsätzlich müsse der Markt diese Krisen regeln. Gegenwärtig sind noch Unterhändler darum bemüht, einen Kompromiss zwischen Streikenden und Verlag zu finden. „Die Gewerkschaften haben das vom Verlag unterbreitete Angebot glattweg abgelehnt“, so Hamel. Lokalredakteurin Krüger: „Wir streiken, bis die Ausgliederungen zurückgenommen sind. Für andere Zugeständnisse sind wir nicht seit einer Woche auf der Straße.“

In seiner Rede auf dem Parteitag betonte Gerhard Schröder, dass aus dem Einsatz der Bundesregierung für Holzmann kein „grundsätzliches Konzept“ entstehen werde. Das dürfte die Streikenden nicht sonderlich überrascht haben. Nick Reimer