Zwischen den Rillen
: Teils strategisch, teils symptomatisch

■ Mind Your Own Business (oder nicht) mit Soul Asylum und Naughty By Nature

Ständig ändern sich die Bedingungen, unter denen Popmusik sein Scherflein an Störung, Stützung oder Verarschung der Allgemeinheit beiträgt. Offensiv zur Schau getragener Anti-Erfolg kann auf die Dauer erfolgreicher machen als alles andere, gerade „eingeführte“ Acts dagegen kommen mit linear verlaufenden Kommerzialisierungsstrategien in der Regel nicht über die gesamte Karrierestrecke. Bruch und Wendung gehören dazu – und werden mittlerweile auch erwartet.

Mit solcherart Spannung konnte man auch den jüngsten Produkten von Soul Asylum und Naughty By Nature entgegensehen, HipHop im letzteren Fall, sogenannter Alternative Rock im ersten, scheinbar weit voneinander entfernt, beides jedoch Erfolgsmodelle in ihrer Sparte, massenkompatibel, wenn auch mittlerweile leicht on the edge of Glaubwürdigkeit. Entscheidungen waren – so oder so – gefragt bis gefordert.

Besonders bei Soul Asylum. Jahrelang hatten sie dieses überaus korrekte amerikanische Zeugs gespielt, das laut, energisch und melodiös Punk mit Rock vereinigte und seine Urväter in Hüsker Dü hatte. Wie alle Väter waren diese natürlich auch ein wenig Klotz an der Gitarre, zumal Hüsker-Dü-Veteran Bob Mould ihre ersten Alben mitproduzierte. Nach dem Hüsker-Split schien in der gemeinsamen Heimatstadt Minneapolis und darüber hinaus plötzlich ein Plätzchen in der Geschichte vakant zu werden, das logisch Soul Asylum hätten besetzen können.

Eigentlich kein schlechter Schachzug, sich dann doch nicht zu müden, sich selbst in der Quere stehende Epigonen zu entwickeln, aber mit welchen Folgen? Und um welchen Preis? Soul Asylum machten „Runaway Train“, die Alternative-Rock- Schnulze, Sänger und Gitarrist Dave Pirner wurde plötzlich zum Superstar, bildete mit Winona Ryder das Traumpaar der vielbeschworenen Generation X. Ganz nebenbei fing er auch noch an, sich in „Bitte melde dich“-Kampagnen Wontorra-mäßig um verschollene Kinder zu kümmern.

„Let Your Dim Light Shine“ („Laß Dein mattes Licht glänzen“), das neue Album, reitet nun leider die totale Eindimensionalisierung dieses Ansatzes: kein Zurück-zu-den-Wurzeln, keine neue Härte, kein tragisches Suchen à la Nirvana (oder in Maßen sogar Sonic Youth), kein Ausbruch zur Seite – volle Mainstream-Kraft voraus, heißt die Devise für Pirner und Mannen. „Let Your Dim Light Shine“ ist banales Spekulieren auf Ruhm und Erfolg. Ohne jeden Anflug von Zweifel suhlt Dave Pirner sich in seiner Rockstar-Rolle, der Großteil der Songs klingt, als wolle man zusammen mit Huey Lewis das Haus einrichten oder Elton John noch ein paar Fans abspenstig machen: Vielstimmige Harmoniegesänge, Schmachtfetzen zum Mitheulen, Rocker zum Mitgröhlen. Das wird wieder einige unschuldige Feuerzeuge das Leben kosten, und vielleicht reicht es ja irgendwann mal für einen kleinen Empfang beim Rockfreund im weißen Haus.

Naughty by Nature hatten es zunächst scheinbar leichter. Die HipHopper aus New Jersey standen um 91 herum für eine neuere, vernünftige, aber natürlich streetwise Schule und hatten mit „O. P. P.“ – und später vor allem mit „HipHop Hurray“ – chart-toppende, hurtige Hymnen im Programm. Diese machten HipHop weltweit so jugendkulturkompatibel, daß tieferes Verständnis in Hintergrund und Herkunft dieser Musik völlig vernachlässigt wurden, und das, obwohl Naughty By Nature unter der Hit- und Spaßschicht durchaus nicht den amerikanischen Traum rappten.

Auf ihrem dritten Album „Poverty's Paradise“ gibt es nun keine offensichtlichen Stomper mehr. Naughty By Nature haben ein „schwieriges“ Album eingespielt, dessen Feinheiten und Qualitäten sich in ausgeklügelter Produktionstechnik und verbessertem Reimstil äußern, das jedoch mangels Tanz- und Wummerpotential voll am Markt vorbeigeht. Damit werden sie (wie so viele andere HipHopper, insbesondere von der Ostküste, wo die avancierteren, artifizielleren HipHop-Produktionen herkommen) Schwierigkeiten haben, Gehör über die eigene Gemeinde hinaus zu finden. Ein klarer Fall von Rückzug: HipHop Hurray bloß noch auf dem eigenen Hometurf und nicht mehr in der Welt, die, wie es scheint, gänzlich den Snoops, Dres und Warren Gs gehört, mitsamt ihren offensiven Gangsterismen und Sexismen.

„You could leave the ghetto, but the ghetto ain't gonna leave you. It's in you forever if you keep in touch“, steht hinten auf dem Cover als Leitsatz von Treach, dem Chefreimer – was Resignation, aber auch Rückbesinnung bedeutet, teils strategisch, teils symptomatisch. Die große Auseinandersetzung mit HipHop jenseits irgendwelcher „Lebensstile“ ist eben ausgeblieben, gerade auch in Europa, wo nach HipHop-Beats meist gejumpt werden will – oder, wie zumeist in letzter Zeit, regionale Identifikationen gegeben sein müssen. Praktisch kein US-HipHopper war in letzter Zeit auf deutschen Bühnen zu sehen, man redete hier lieber über „eigene“ Bands wie Das Fette Brot oder das Rödelheim Hartreim Projekt als über die neue Public Enemy. „Poverty's Paradise“ wird daran nichts ändern. Gerrit Bartels

Soul Asylum: „Let Your Dim Light Shine“ (Sony)

Naughty by Nature: „Poverty's Paradise“ (East/West)