taz-Berlinteil à la „Berliner Abendschau“?

■ betr.: „Haben die Zehen von In grid Stahmer Ohren?“, taz vom 8. 6. 95, „Make up für Berliner Pic kel“, taz vom 9. 6. 95

Liebe Barbara Bollwahn, es ist mitunter wohl ein undankbarer Job, für die taz im Berliner Kiezdschungel brauchbare Nachrichtenbeute zu schlagen. Ich sehe in diesen Mühen des journalistischen Handwerks trotzdem keinen Grund und schon gar keine Rechtfertigung dafür, daß Sie den Spaziergang der Ingrid Stahmer im Prenzlauer Berg als einen typisch drögen und ungeschickten Versuch der BürgerInnennähe verreißen.

Erstens kann Stahmer nichts dafür, daß diese kleine Veranstaltung zu unspektakulär für Ihre Feder ist. Zweitens erwarte ich von der taz, daß sie mit dem Maß an Sympathie die Kandidatur einer Frau zum BürgermeisterInnenamt begleitet, das eine Zeitung pflegen sollte, die sich politisch links sieht. Was Sie geschrieben haben ist dagegen gediegener FAZ-Stil: voller Ressentiments gerade gegen gemäßigte Linke und getränkt von Häme über die kleinen Mißerfolge. Drittens bin ich auf dem Kollwitzplatz gewesen und habe dort mit Ihnen in einer Traube von gut 40 Personen gestanden. Von denen waren zwar einige JournalistInnen und Photographen – haben Sie aber die anderen BürgerInnen etwa nicht gesehen, die mit Wolfgang Thierse, Irana Ruster, Sylvia Pickert und dem Juso-Kandidaten für das Abgeordnetenhaus Ephraim Gothe gesprochen haben? Haben Sie nicht gewußt, daß dieser jüngste Kandidat der Berliner SPD (31) das ganze organisiert hat? Wäre es nicht Ihr Job gewesen, das mitzuteilen? [...] Sie werden schließlich dafür bezahlt und ich bezahle die Zeitung dafür.

Viertens und letztens muß ich Sie noch darauf hinweisen, daß das Bild mit Ingrid Stahmers Beinen deutlich zeigt, daß sie geschlossene Halbschuhe an den Füßen trägt, und keine „Sandaletten“, wie Sie schreiben. Wenn Sie Sich also schon so einen Unsinn von Zehen, die Sie wackeln gesehen haben wollen, zusammenspinnen, dann seien Sie wenigstens so geschickt, den Gegenbeweis nicht gleich photographisch mitzuliefern.

Apropos Photos: Was haben Sie eigentlich gegen Leute, die photographiert werden? Was hat das gekürte Model auf der „ProBeauty“ (oder vorher Wolfgang Thierse) Ihnen getan, daß es sich darum verdient macht, mit soviel Spott und Herablassung von Ihnen behandelt zu werden. Auch hier dasselbe Muster: eine Veranstaltung, die Sie langweilt – wir bekommen nur Ihre feindseligen Beobachtungen Unschuldiger („Beinchen“, „Kleidchen“, eine Frau, die sich nicht auf ihren „Pfennigabsätzen“ halten kann) und den professionell bedingten Smalltalk der Photographen zu hören, an dem nichts interessant und schon gar nichts anstößig ist. Der dürftige Berlinteil der taz ist sowieso ein Schwachpunkt. Machen Sie ihn besser, nicht schlechter als er ist. Reginald Grünenberg