Die Diener zweier Herren sind entlassen

Atomlager Schacht Konrad: Monika Griefahn hält TÜV-Gutachter für befangen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Alles von vorn. Das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad wird in diesem Jahrtausend nicht mehr gebaut. Um mindestens „zwei oder drei Jahre“, schätzt Bruno Thomauske, Mitarbeiter des Bundesamtes für Strahlenschutz, dürfte sich das Genehmigungsverfahren verzögern. Schuld daran ist die Bundesbehörde selbst. Sie hat am 20. April 1994 mit dem TÜV Hannover/Sachsen Anhalt einen Vertrag abgeschlossen. Die technischen Gutachter sollten im Auftrag des Strahlenschutzamtes unter anderem „Vorprüfungen“ durchführen, damit die Lageranlagen in Salzgitter zügig in Betrieb genommen werden können. Auch Vertragsverhandlungen für die Überwachung des späteren Betriebs sind schon aufgenommen worden.

Dagegen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, findet selbst Monika Griefahn, Niedersachens Umweltministerin. Nur dient der TÜV damit zu vielen Herren auf einmal. Denn das Land hat ebenfalls den TÜV unter Vertrag genommen, und das schon seit 1983. Die selben Experten, die jetzt für den späteren Betreiber tätig sind, sollen auch der Behörde, die das Atomlager genehmigen muß, die nötigen Untersuchungen liefern. Ein Interessenkonflikt scheint der Ministerin unvermeidlich, die Beschäftigung der TÜV-Experten deshalb nicht mehr vertretbar, wie sie in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Landtag schreibt. Sie dürfen deshalb in dieser Sache nicht mehr für Niedersachsen tätig sein.

Der hannoversche TÜV hatte die Langzeitsicherheit des geplanten Endlagers zu beuerteilen. Er untersuchte aber auch die gesamte Technik der Anlage. Sein Gutachten für das Planfeststellungsverfahren lag dem Umweltministerium noch nicht einmal als Entwurf vor, als er mit dem Betreiber und Verfahrensgegner, dem Bundesamt für Strahlenschutz, seinen Vertrag abschloß – offenbar in der vorauseilenden Gewißheit, das Lager werde mit Hilfe derselben Experten genehmigt.

Ohne die technischen Gutachten kann das Land seine Rechtsaufsicht nicht wahrnehmen. Weil sie nicht vorliegen, muß sich jetzt ein neuer Gutachter in die Unterlagen einarbeiten. Bisher war mit einem Planfeststellungbeschluß noch für dieses Jahr gerechnet worden. Der Termin ist geplatzt, drei weitere Jahre Verzögerung hält auch Bruno Thomauske eher für die „untere Grenze“ – wenn denn so verfahren wird, wie das niedersächsische Umweltministerium es angeordnet hat. Eine Befangenheit des TÜV kann Thomauske nicht erkennen, schon deswegen nicht, meint er, weil seine Behörde als Organ des Bundes gar keine privaten Interessen verfolge. Diese Rechtsauffasung sei den Umweltministerien in Hannover und Bonn mitgeteilt worden. Das Bundesumweltministerium prüfe noch, ob es erneut im Wege der Bundesaufsicht verfahrenslenkend in das Genehmigungsverfahren für Schacht Konrad eingreifen müsse. Noch im vergangenen Herbst hatte Umweltministerin Merkel ein in ihrem Hause formulierten Planfeststellungsbescheid zurückgezogen. Denn das Risko, mit solchen Anweisungen in kommenden Gerichtsverfahren gegen Privatkläger zu scheitern, wird auch in Bonn als sehr hoch eingeschätzt.