Wer einen Krieg verliert, soll die Klappe halten

■ Guinea-Bissaus herrschende Militärs verjagten eine Eingreiftruppe des mächtigen Nachbarn Senegal. Jetzt organisieren sie fröhlich Wahlen. Und Senegals Armee schimpft

Dakar (taz) – In Guinea-Bissau finden am Sonntag die ersten Wahlen seit Ende des Bürgerkrieges von 1998/99 statt – und für den Nachbarstaat Senegal ist dies ein peinliches Ereignis. Denn die Befriedung Guinea-Bissaus war zugleich eine Niederlage für Senegals Armee, die vergeblich in den Bürgerkrieg im südlichen Nachbarstaat eingegriffen hatte.

Im Juni 1998 hatte in Guinea-Bissau eine Gruppe von Soldaten um General Ansoumane Mané einen Putschversuch gegen Präsident Nino Vieira unternommen. Vieira rief daraufhin die Streitkräfte der beiden Nachbarländer Senegal und Guinea zur Hilfe. Neun Monate lang hielten die fremden Militärs die Hauptstadt Bissau besetzt. Im März diesen Jahres überließen die beiden fremden Armeen das Feld der westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomog“. Am 8. Mai wurde Vieira endgültig gestürzt. Mané kam an die Macht. Mit den Wahlen will er nun die Macht an eine Zivilregierung übertragen, obwohl das Militär weiterhin erheblichen Einfluss auf die Politik behalten soll.

Senegals „Operation Gabou“ in Guinea-Bissau war also ein Fiasko. Schon nach wenigen Tagen stand sie praktisch allein gegen Manés Rebellen, um einen Präsidenten zu stützen, den sein Volk nicht mehr wollte. „Senegals Armee hatte zwei Ziele. Zum einen wollte sie Vieira an der Macht halten, zum anderen wollten sie die Rebellen in der Casamance schwächen. Beides haben sie nicht erreicht“, erläutert ein Journalist in Dakar. In der Casamance, dem zwischen Gambia und Guinea-Bissau liegenden südlichen Teil Senegals, kämpfen Rebellen für eine Abspaltung vom Rest des Landes, und sie haben Basen in Guinea-Bissau.

Nach offiziellen Angaben fielen während der Gefechte in Guinea-Bissau 57 der 3.000 eingesetzten senegalesischen Soldaten. Augenzeugen schätzen die Zahl jedoch auf mehrere hundert. Als Senegals Soldaten aus Guinea-Bissau zurückkamen, wurden sie als Nationalhelden gefeiert. Doch vor ihrem Empfang in Dakar wurden sie sicherheitshalber entwaffnet – aus Angst vor einer Revolte.

Senegal ist eines der wenigen afrikanischen Länder, wo es noch nie einen Militärputsch gegeben hat. Doch seit der Niederlage in Guinea-Bissau beschweren sich die Soldaten öffentlich. Im August verteilten Soldaten, die im Bürgerkriegsgebiet der Casamance stationiert waren, einen „offenen Brief“ an die Bevölkerung. Sie beklagten sich darin über ihre schlechten Lebensbedingungen.

Zwar ist das Militärbudget das zweithöchste im senegalesischen Haushalt, doch weit über 90 Prozent davon besteht aus Gehältern für die rund 15.000 Soldaten – wobei auch diese „entweder nicht gezahlt werden oder winzig sind wie die in Bissau“, wie der inzwischen im Parlament tätige ehemalige General Tavarez Da Sousa sagt. Für die Verpflegung der Truppe und die Instandhaltungen der Kasernen bleibt wenig.

„Die Armee ist nicht mehr das, was sie einmal war“, bedauert ein Offizier. Die frühere Generation hätte sich noch zum Militär berufen gefühlt, heute gingen die Leute nur noch wegen des Geldes dorthin. Doch dies ist alles andere als üppig. Rekruten in der Ausbildung erhalten etwas mehr als 30 Mark im Monat, Generäle rund 1.200 Mark. Vielen bleibt jedoch nichts anderes. Die Mitglieder der Einsatztruppe in Guinea-Bissau erhielten eine Tagesprämie von 1,50 Mark – Soldaten in der westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomog“ hingegen das Zwanzigfache.

Im April diesen Jahres gingen erstmals in Senegal Soldaten auf die Straße, um für die Auszahlung ihrer Prämien zu demonstrieren. Sie waren als UN-Blauhelme ein Jahr lang in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz gewesen. Das Geld, das die UN nach eigenen Angaben schon vor der Abfahrt der Militärs an Senegals Regierung überwiesen hatte, hatten sie auch einen Monat nach ihrer Rückkehr noch nicht erhalten.

Sollte es in Guinea-Bissau oder in der Casamance erneut zu Gefechten kommen und die senegalesische Regierung wieder Truppen entsenden, könnte der Unmut noch steigen. Ein Soldat bringt die Frustration auf den Punkt: „Du wirst getötet und kriegst noch nicht mal Geld dafür.“

Veronika Eggersglusz