Schwartse ta*
: Rotwein als Aperitif

■ Opportunisten und andere verdächtige Personen: Krimis über den Faschismus

Bevor unser barbarisches Jahrhundert endet, sind drei ausländische Kriminalromane erschienen, die sich mit dem Thema Faschismus befassen. Ein Vergleich der drei Versuche lohnt sich. Sie sagen einiges aus über den Status quo des Genres in den jeweiligen Ländern.

Der Belgier Xavier Hanotte beginnt seinen Roman mit einer kursiv gedruckten Betrachtung des britischen Soldatenfriedhofs in Ypern. Ein schwieriger Einstieg. Aber dann geht's normal los: Heiligabend bei der Kripo in Brüssel, ein jugendlich wirkender Inspektor, Büroalltag, Reflexionen eines Singles über die Einsamkeit. Dann die Leiche eines Clochards und nicht weit davon entfernt ein erschossener deutscher Professor. Wie sich herausstellt, einer von diesen revisionistischen Historikern, die den Holocaust verharmlosen. Ein klassischer Anfang. Etwa 400 Seiten später wird der Täter gestellt. Bis es so weit ist, finden die üblichen Ermittlungen statt. Leider hemmen arg viele Abschweifungen den Lesefluss. „Von verschwiegenem Unrecht“ ist ein Krimi in Slow Motion. Man fragt sich, warum Hanotte überhaupt diese Genreform gewählt hat. Seine Geschichte über die Schatten der Vergangenheit hätte er auch freier beschreiben können.

Anders Robert J. Janes aus Toronto. Er schrieb gleich eine Serie um einen Kriminalbeamten aus Frankreich namens St.-Cyr, der gemeinsam mit einem deutschen Gestapo-Mann namens Kohler unter dem Vichy-Regime Mordfälle aufklären soll. „Salamander“ beginnt mit einem Brandanschlag auf ein Kino in Lyon, bei dem 183 Gäste umkommen. Janes haut von Anfang an ordentlich auf die Pauke: Er kann gar nicht genug kriegen von der Beschreibung der Leichen.

Das Vichy-Frankreich als Ort menschlicher Ausnahmesituationen gäbe durchaus einen passenden Hintergrund für düstere Intrigengeschichten ab. Leider kennt Janes sich nicht besonders gut mit seinem Thema aus und häuft Ungereimtheiten an: Warum sollte die Gestapo jedem Kriminalkommissar des deutschenhörigen Vichy-Regimes einen eigenen Agenten als Begleitung geben? Wieso treffen sich 450 kommunistische Eisenbahner 1942 konspirativ in einem Lyoner Kino? Weil sie „La bête humaine“ sehen wollen, einen schon 1938 erstaufgeführten Film?

Vollends absurd wird der Roman dank eines eigenartigen Stilmittels: St.-Cyr und Kohler ergehen sich in ausgiebigen inneren Monologen. Immer penetranter stellen sie sich detailliert vor, was mit einer getöteten oder verdächtigen Person so alles passiert sein könnte. Tatsachen scheinen wenig von Interesse, sie berauschen sich an der eigenen Fantasie. Auch das fördert nicht gerade den Echtheitsgehalt des Buchs. Aber was soll man von einem in Frankreich spielenden Roman erwarten, in dem Gourmets im Restaurant als Aperitif einen Rotwein trinken und sich das Rauchen verbieten lassen?

Doch es gibt auch großartige Krimi-Autoren, die nicht recherchieren, weil sie mit angehäuften Fakten Augenwischerei betreiben wollen. Dem Italiener Carlo Lucarelli gelingt auf gerade mal 107 Seiten eine unglaublich spannende Kriminalgeschichte über das von den Deutschen beherrschte Norditalien. „Freie Hand für De Luca“ schildert einen verwirrenden Mordfall, mit dem sich ein opportunistischer Kriminalbeamter vor dem bevorstehenden Einmarsch der alliierten Truppen herumschlagen muss: In einer kleinen Stadt wird ein Lebemann erstochen, der für die Faschisten mit dem Vatikan Verbindungen unterhielt. De Luca soll den Mörder finden, der den Herrschenden in den Kram passt. Aber längst schon bröckelt die Macht der Faschisten, die Deutschen machen sich davon, und die Feiglinge wechseln die Front. Wem soll der Kommissar dienen? Was hat er überhaupt davon, wenn er die Wahrheit herausfindet?

Was Hanotte mit übertriebenem literarischem Aufwand versucht und woran Janes dank der eigenen Borniertheit scheitert, gelingt Lucarelli mit leichter Hand: Er beschreibt eine packende menschliche Tragödie ungeheuer lebendig, aber ohne Übertreibungen. Robert Brack

Xavier Hanotte: „Von verschwiegenem Unrecht“. Deutsch von Michael Kleeberg, dtv premium, 460 S., 32 DM Robert J. Janes: „Salamander“. Aus dem Amerikanischen von Ralf Hlawatsch und Silvia Jettkant, Dumont noir, 399 S., 16,90 DM Carlo Lucarelli: „Freie Hand für De Luca“. Aus dem Italienischen von Susanne Bergius, Piper, 116 S., 14,90 DM