Wie frei sind die Richter im Freistaat?

■ Abschiebehaft: Ein Amtsrichter lehnt sich selbst als befangen ab – wegen des massiven Drucks des bayerischen Innenministeriums

Nürnberg (taz) – Hat Günther Beckstein verlautbaren lassen, dass er denjenigen Richter, der einen sudanesischen Flüchtling aus der Abschiebehaft entlässt, „einen Kopf kürzer machen“ werde? Hat das von Beckstein geführte bayerische Innenministerium nach einem ablehnenden Beschluss des zuständigen Amtsrichters sogleich „die Personalabteilung des Justizministeriums“ kontaktiert?

Der solches behauptet, ist nicht etwa der betroffene Flüchtling selbst, sondern der Nürnberger Amtsrichter Uwe Stark. Er begründete damit seine eigene Befangenheit und lehnte es ab, über den Antrag auf Abschiebehaft für den Sudanesen Fathelrahman Abdalla zu entscheiden.

Abdalla sitzt seit vorgestern wieder in Abschiebehaft – nicht zum ersten Mal. Knapp elf Monate lang, vom August letzten Jahres bis Ende Juni, war der 27-Jährige schon dort. Drei Mal hatte er sich währenddessen derart vehement gegen seine Abschiebung gewehrt, dass die Fluggesellschaften seinen Transport ablehnten. Abdalla hatte panische Angst vor dem Rücktransport in den Sudan, wo er vor seiner Flucht nach Deutschland als Angehöriger der Oppositionspartei DUP verfolgt, verhaftet und gefoltert worden war. Nach Ablehnung seines Asylantrags drang das Ausländeramt Nürnberg und das bayerische Innenministerium trotz Vorliegens ärztlicher Gutachten auf Abschiebung.

Nachdem jedoch im Mai das Bundesinnenministerium nach dem Tod eines Sudanesen gewaltsame Abschiebungen von Asylbewerbern befristet ausgesetzt hatte, verzögerte sich Abdallas Rücktransport. Als dann der bayerische Verwaltungsgerichtshof seine Reisefähigkeit bezweifelte und das Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf die von amnesty international ausgerufene „urgent action“ neue Asylgründe als gegeben betrachtete, wurde Abdalla Ende Juni aus der Abschiebehaft entlassen.

Ausgestattet mit einer Duldung des Ausländeramts befand er sich seitdem in ärztlicher Behandlung. Vorgestern widerrief nun das Ausländeramt die Duldung, Abdalla wurde festgenommen und die Sache landete bei Richter Uwe Stark. Der Amtsrichter, der sich schon im Juni geweigert hatte, Abdallas Abschiebehaft zu verlängern, sollte nun die Haft absegnen. Doch Stark fühlte sich mit Blick auf den „von Seiten der Politik auf meine Person versuchten und ausgeübten Druck an einer unvoreingenommenen Beurteilung des nunmehr vorliegenden Haftantrags gehindert“. Rückendeckung erhielt er vom Landgericht Nürnberg-Fürth, das seine Selbstablehnung für „begründet“ erklärte.

Angesichts der Vorwürfe des Amstrichters gilt es für Heiko Kauffmann von Pro Asyl derzeit als ungeklärt, „wie frei bayerische Richter wirklich sind“. Kauffmann befürchtet, dass Bayern in den nächsten Tagen „nichts unversucht lassen wird, Abdalla abzuschieben“. In der Tat hat sich das Ausländeramt bereits von einem Polizeiarzt Abdallas Reisefähigkeit bescheinigen lassen und schon für kommenden Freitag „unter größten organisatorischen Schwierigkeiten einen Privatjet für den Luftabschiebungstransport“ gemietet. Bernd Siegler