Ein Teppichhändler aus 1001 bayerischen Nacht

■ Die zentrale Figur der Schmiergeld-Affäre um Leisler-Kiep ist der Waffenhändler Karlheinz Schreiber – ein Amigo von Strauß und „begnadeteter Einfädler“ von Deals

Augsburg (taz) – Scharen deutscher und kanadischer Journalisten spüren in diesen Tagen einem einstigen Teppichhändler hinterher. Es geht darum, ein wenig Licht in das Dunkel eines der größten Schmiergeldskandale der letzten Jahre zu bringen.

Bei der Staatsanwaltschaft Augsburg befassen sich ein paar ausgesprochen clevere Ermittler seit mehr als vier Jahren mit dem Komplex. Die Ermittlungsunterlagen umfassen inzwischen mehr als 4.000 Seiten. Die zentrale Figur der Affäre ist der frühere Teppich- und spätere Waffenhändler Karlheinz Schreiber (65) aus dem oberbayerischen Städtchen Kaufering. Er soll bei seinen Waffengeschäften Provisionen in zweistelliger Millionenhöhe eingenommen und großteils als Schmiergeld an ein halbes Dutzend Politiker, Topmanager und Unternehmer verteilt haben. Nun soll er sich wegen Bestechung und Steuerhinterziehung verantworten.

Schreiber war am 31. August diesen Jahres in Toronto verhaftet worden, kam aber gegen eine hohe Kaution wieder frei. Einflussreiche Persönlichkeiten hatten die 1,6 Millionen Mark hinterlegt – unter anderem der einstige Generalstaatsanwalt Kanadas. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat ein Auslieferungsersuchen gestellt, über das nach Informationen von Bild am Sonntag am 15. November entschieden werden soll.

Schreiber verfügte in der guten alten Zeit über beste Kontakte zum bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Ob es nun um ein großes Airbusgeschäft mit Kanada ging – in dieser Sache ermitteln noch immer die kanadischen Behörden – oder um MBB-Hubschrauber: Schreiber war zur Stelle, galt damals als „begnadeter Einfädler“ der ganz großen Geschäfte, so auch von jenem Panzerdeal von 1991 mit Saudi-Arabien, bei dem Schatzmeister Kiep eine Million Mark in die CDU-Kasse abgegriffen haben soll (siehe nebenstehender Kasten). Nicht der Erhalt des Schmiergeldes ist ein Delikt – wohl aber das Nichtversteuern, die Steuerhinterziehung. Die Schmiergelder könnten nötig gewesen sein, um das heikle Geschäft durchzuboxen, nachdem es heftige Widerstände im Bundessicherheitsrat gegeben hatte. Wie der Bundessicherheitsrat letztlich umgestimmt wurde, ist im Moment noch genauso unklar wie die Rolle des damaligen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep. Was den damaligen Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls betrifft, ist man in Augsburg schon weiter. „Bei unseren Ermittlungen hat sich herauskristallisiert, dass Herr Schreiber den früheren Verteidigungsstaatssekretär Pfahls bestochen hat, und zwar mit einer Summe von 3,8 Millionen Mark“, berichtet der Augsburger Staatsanwalt Nemetz. Der Politiker soll daraufhin erreicht haben, dass die 36 Panzer aus Bundeswehrbeständen an Saudi-Arabien geliefert wurden. Später produzierte dann Thyssen-Henschel die Panzerfahrzeuge nach und lieferte sie quasi zurück an die Bundeswehr.

Pfahls ist noch immer auf der Flucht. Schwer krank sei er, heißt es. Der Mann hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Zunächst war er „Bürochef“ bei Strauß, dann Chef des Verfassungsschutzes, später Rüstungsstaatssekretär und zuletzt leitete er die Ostasien-Vertretung von DaimlerChrysler. Am 7. Mai sollte er noch ein Meeting der Asien-Manager des Konzerns leiten, flog jedoch lieber nach Taiwan, wo es kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland gibt.

Mehrmals wollte Pfahls das tun, was Leisler Kiep vergangene Woche tat, nämlich sich den Behörden stellen. „Das glaube ich erst, wenn er es tatsächlich tut“, hatte der Augsburger Staatsanwalt unmittelbar nach der letzten solchen Ankündigung gesagt.

Ob demnächst auch ein anderer Verdächtiger in dieser Sache mit einem Haftbefehl rechnen muss, ist unklar. Bei jenem, sagt Oberstaatsanwalt Nemetz, sehe er derzeit nicht die Gefahr, dass er sich ins Ausland absetzen könnte. Es handelt sich um den Münchner Anwalt Max Strauß, den Sohn von Franz Josef. Klaus Wittmann