Querspalte

■ Mit uns zieht die neue Zeit

Am Sonntagvormittag ruft meine Frau aus dem Badezimmer: „Was, es ist erst zwölf Uhr? Ich fühle mich irgendwie schon wie um eins!“ Es ist sogar erst um elf, denn ich habe die Wanduhr noch nicht zurückgestellt. Das heißt, im Bad herrscht noch Sommerzeit, Gott hat die geliehene Stunde noch nicht zurückerstattet. Und meine Frau glaubt trotzdem, diese Stunde gewonnen zu haben. Ist das nicht wunderbar?! Gefühlte Zeit sozusagen. Offenbar kann der Mensch seiner Psyche alles erzählen.

Kurz nach drei bin ich auf halb fünf gestellt, und langsam erhebt sich die Frage, ob dieser Nachmittag kein Ende nehmen will. Dpa meldet, dass Zootiere die Zeitumstellung kaum bemerkten und speziell Vögel „mit dem Zwitschern anfangen, wenn es hell wird“. Verblüffend. Wahrscheinlich hatte ein Volontär dem Chef des dpa-Ressorts „Tierparkgeschichten“ versprochen: „Ich bring' Ihnen eine Story über Tierquälerei, Chef. Eine, in der ein Grottenolm traurig auf seine Armbanduhr glotzt und seufzt: Was denn, erst um fünf, und ich muss schon das Licht anknipsen.“

Als „Christiansen“ anfängt, ticken meine Augenlider schon gegen elf. Das macht es leicht, mir ihr Talent zu ersparen. 270 „Medienfrauen“ sind schlechter dran. Sie haben ihr gerade die „Saure Gurke“ für die „frauenfeindlichste TV-Sendung 1999“ zugesprochen. In 38 Sendungen nur 43 eingeladene Frauen, aber 201 Männer. Empörend. Es ist schließlich ein Privileg, sich direkt an Sabines Gedankenfeuerwerk wärmen zu dürfen.

Es ist zehn bzw. elf. Ich gehorche meiner biologischen Uhr und kuschle mich ins Dinkelkissen. Die „Medienfrauen“ indes müssen noch nachgucken, ob das grüne Gemüse gewirkt hat. Ein gutes Gefühl. André Mielke