■ Nebensachen aus Tokio
: Eine unnatürliche Geheimhaltung“

Der Titel war eindeutig: „TV-Star hält Scheidung auf unnatürliche Weise geheim!“ Mit dieser Schlagzeile beendete ein japanisches Boulevard-Magazin die erfolgreiche Karriere einer der beliebtesten TV-Moderatorinnen Japans. Der Fall schlägt hohe Wellen, weil er die Diskriminierung geschiedener Frauen wieder ins öffentliche Bewusstsein bringt.

Die Hauptperson in diesem Scheidungsdrama spielt Ayumi Kuroda, die 39-jährige Moderatorin der Hausfrauensendung „Heißer Morgen – Informationen fürs Leben“. Viereinhalb Jahre lang klärte Kuroda die Zuschauerinnen über Pampers und Verhütungsmittel, über Krebs und gentechnisch veränderte Nahrungsmittel auf. Sie war ein Profi, ein Vorbild für die Hausfrauen und ... hielt ihre Scheidung zwei Jahre geheim.

Nach dem Schmähartikel im Boulevardblatt Shukan Shincho musste Kuroda innerhalb einer Woche den Platz am Moderatorenpult räumen. Ihr Privatleben wurde den Paparazzi zum Fraß vorgeworfen. Einige Schreiber ließen sich gar hinreißen, sie als „unehrenhaft“ abzustempeln, weil sie sich angeblich geweigert hätte, die Schwiegermutter zu pflegen. Kuroda musste sich auch den Vorwurf gefallen lassen, sie sei eine schlechte Mutter, weil sie ab und zu nicht mit der schulpflichtigen Tochter zusammen am Frühstückstisch gesessen habe.

Prominente Frauenrechtlerinnen sind aufgebracht. „Das ist ein Fall offener Diskriminierung gegen die Frau“, kommentierte die Parlamentarierin und Rechtsanwältin Mizuho Fukushima. Gleicher Meinung sind auch die Frauen, die den staatlichen Fernsehsender NHK seit dem Rauswurf täglich mit über 50 Anrufen und Schreiben auffordern, Kuroda wieder anzustellen. Sie selbst übernahm nach japanischer Tradition mit einem Satz die Verantwortung: „Ich bedaure es, die Scheidung geheim gehalten und damit große Aufregung gestiftet zu haben.“ Arbeitgeber NHK windet sich noch jetzt in widersprüchlichen Begründungen für die ungerechtfertigte Entlassung.

In Japan, wo pro Jahr 2,4 Millionen Ehen scheitern oder alle zwei Minuten und 10 Sekunden eine Scheidung erfolgt, müssen noch immer viele Frauen und Männer das Ereignis geheim halten. „Eine Scheidung wird in dieser Gesellschaft noch immer als Charakterschwäche, ja als Zeichen der Unfähigkeit betrachtet“, sagt Atsuko Okano, die Herausgeberin des Magazins Liz, das sich an Geschiedene wendet.

„Batsu ichi“ – einmal verfehlt – nennen die Japaner eine Scheidung umgangssprachlich und damit wird der pejorative Charakter des Ereignisses noch betont. Nicht nur Frauen, auch geschiedene Männer müssen mit einem Karriereknick rechnen, wenn sie ihren Kollegen und Vorgesetzten darüber berichten, weil damit ihre Glaubwürdigkeit angekratzt wird.

Die ebenfalls geschiedene Medienproduzentin Rieko Zamma (49) ist über den Rauswurf von Ayumi Kuroda nicht überrascht: „In der japanischen Medienlandschaft bestimmen ausschließlich Männer die Inhalte. Eine geschiedene Frau als Moderatorin einer Hausfrauensendung ist da schlicht nicht tragbar“, erklärt Zamma. Und wie steht es mit geschiedenen Männern? Kein Problem. So darf etwa der geschiedene Superstar „Samma“ in Privatsendern Shows zum Thema Partnerschaft und Liebe moderieren, ohne dass sich die Chefs darüber aufregen. André Kunz