Mein Name ist Deiner

■ Auf die Deutsche Bahn ist selbst bei HipHop-Konzerten Verlass: Der amerikanische Rapper Eminem kasperte in der Columbiahalle

Die tut was, die Deutsche Bahn, jetzt auch für die Jugend. Beim Einlass des Konzerts von Eins, Zwo und Eminem am Mittwochabend in der Columbiahalle bekommt man erst mal ein Booklet in die Hand: „Schöne Sachen von Deiner“ steht da drauf, und innen wird dann erklärt, dass Deiner die „Jugendmarke“ oder „Jugendkommunikation“ der DB Regio AG ist und „das Deiner-Team permanent daran arbeitet, den Nahverkehr der Deutschen Bahn tagtäglich etwas besser und spannender zu machen. Deshalb auch der Name: Deiner steht für ,Deine Welt‘, ,Deine Vorstellungen‘ und natürlich auch für ,Dein Zug‘.

Wenn solche Worte einen nicht sofort animieren, in den nächsten Nahverkehrszug zu steigen und nach Pasewalk zu fahren! Zumal DJ Rabauke von Eins, Zwo und DJ 5ter Ton von Massive Töne im Namen von Deiner eine HipHop-CD aufgenommen haben, und Deiner auch sonst eine eingetragene Marke ist und auf Klamotten, Bechern oder Taschen steht. (Die Bestellkarte für diese Produkte liegt dem Booklet natürlich bei.) Die Schnellmerker von der Bahn haben registriert, wie einträglich deutscher HipHop ist, und so kümmern sie sich um die Kids und um sich selbst: Synergieeffekte und Future Pop in der schönen, neuen HipHop-Welt in Deutschland.

In die wiederum einer wie der weiße US-Rapper Eminem nicht recht passt: Der hatte eine schwere Kindheit in Detroit, schlug sich dann mit McJobs durchs Leben, und wurde schließlich vom HipHop-Großproduzenten Dr. Dre bei einer Radio-Freestyle-Session in Los Angeles entdeckt. Das Resultat: Eine EP, auf die wenig später die „Slim Shady LP“ folgte, mit der Eminem dann in kürzester Zeit zu einem umstrittenen und damit sehr erfolgreichen Rapper wurde.

Denn nicht nur gibt es trotz MC Search oder Cypress Hill aufgrund Eminems Hautfarbe noch immer die üblichen Akzeptanzverweigerungen in der schwarzen Rap-Community, sondern Eminem rappt im Namen seines Alter Egos Slim Shady auch ganz Schlimme-Finger-Geschichten: Vergewaltigt und tötet seine Ex-Frau und Mutter seiner Tochter mit deren Hilfe, hängt sich mit einem übergroßen Penis an einen Baum, nimmt Drogen ohne Ende oder beschimpft Marilyn Manson als Waschlappen. Dank Dres Produktion und Eminems nasalen Killerskills rockt das in den USA wie sonst nur Bands wie Limp Bizkit oder Pennywise, in deren White-Trash-Liga Eminem verkaufs- und fantechnisch auch eher spielt als in der von Slick Rick oder Puff Daddy.

Hierzulande läuft der Hype aber noch ins Leere: Mehr als 400, 500 Leute sind es nicht in der Columbiahalle, outfit-technisch ist man durchweg auf der Höhe, schwarze oder türkische Kids aber sind weit und breit nicht zu sehen. Die interessieren sich weder für Eminem noch für Eins, Zwo, deren Rapper Dendemann ein Guter ist (auch wenn man ihn an diesem Abend kaum versteht) und eine rauhe, widerborstige Seite von HipHop repräsentiert früher hätte man Eins, Zwo vielleicht als Underground bezeichnet.

Doch Dendemann und DJ Rabauke müssen bald Platz für die Bühnenaufbauten von Eminem machen: ein riesiges rotes Telefon, mehrere Fliegenpilze und eine aufblasbare Mumie. Eminem sieht aus wie eine Mischung aus Scooter und Andreas Dorau, gibt sich aber um viele Grade irrer als die. Springt wie eine Comicfigur über die Bühne, klettert auf die Boxen und wird den ganzen, kurzen Gig über immer begleitet von einem dicken, schwarzen Leibwächter („I'm a soldier“ hat der auf seinem T-Shirt stehen).

Wie bei HipHop-Shows üblich, gehen natürlich auch an diesem Abend alle produktions- und raptechnischen Feinheiten des Albums völlig verloren. Hier heißt es Energie zu vermitteln, und Eminem lässt dann auch zusammen mit einem anderen MC und einem Schausteller das Publikum nicht zur Ruhe kommen: Fragen nach dem Drogenkonsum oder ein obszöner Telefonanruf („Britney Spears?“) sind da wichtiger als einzelne Stücke.

Die Show ist schnell, sie ist unterhaltsam, und Eminem füllt primär eine Rolle als Comic- oder Comedyfigur aus: Ihn kann man ein- und ausschalten wie South Park oder Beavis und Butthead, und damit hat es sich dann auch. Denn deutsche HipHop-Kids liefern vielleicht lieber noch ein paar Ideen für das Deiner-Programm der Bahn. Die sind immer willkommen: „Meldet Euch, wir geben alles!“ Gerrit Bartels