■ Die Erde erwärmt sich, den Inselstaaten steht das Wasser bis zum Hals. Doch die 1997 in Kioto vereinbarte Schadstoffverminderung hat kaum Folgen. Auf dem fünften Weltklimagipfel, der in Bonn begonnen hat, wird um Details gekämpft  Von Maike Rademaker
: Ist unser Klima noch zu retten?

ie Zeit drängt. Zum Beispiel in Niue, einem 260 Quadratkilometer großen Korallenatoll mit weißen Stränden und einem Taucherparadies. Seine 1.750 Einwohner werden ins nahe Neuseeland umziehen müssen, wenn der Meeresspiegel durch die Klimaveränderungen steigt.

Die Regierung von Niue hat die 1997 beschlossene Verpflichtung zur Verminderung der Schadstoffemissionen, das sogenannte Kioto-Protokoll, verabschiedet. Im Zusatz vermerkte die Regierung, dass sie die Vereinbarung für alles andere als ausreichend hält, um den gefährlichen menschlichen Einflüssen auf das Klima Einhalt zu gebieten. Aber darüber wird auf der fünften Weltklimakonferenz, die gestern in Bonn begann, gar nicht mehr geredet.

Das winzige, nicht gerade zu den führenden Luftverschmutzern zählende Inselreich gehört zu den nur 14 von 84 Unterzeichnerstaaten, die das 1997 ausgehandelte Kioto-Protokoll auch tatsächlich verabschiedet haben. Nicht nur, dass diese Zahl nicht ausreicht, um eine verbindliche Umsetzung des Protokolls zu erwirken, unter den 14 ist auch kein einziges Industrieland, obwohl diese die meisten Treibhausgase mit Autos, Industrie und Heizungen in die Luft blasen. Es sind alles arme Länder, darunter viele Inseln. Sie sind als erste betroffen, wenn eintrifft, was Wissenschaftler mittlerweile für sehr wahrscheinlich halten: Werden weltweit die klimaschädlichen Emissionen nicht reduziert, wird die Temperatur in den nächsten 100 Jahren weltweit um 1 bis 3,5 Grad Celsius, der Meeresspiegel einen halben Meter steigen.

Schuld daran, auch da sind sich die Wissenschaftler einig, ist der Mensch: Vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe werden Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan frei.

Unter den Klima-Veränderungen werden aber nicht nur die Niuianer leiden. Die Wissenschaftler befürchten eine Ausweitung der Wüsten, Veränderungen bei den Niederschlägen und damit bei der Nahrungsmittelproduktion. Hurrikane und Überschwemmungen, wie sie die Welt in den letzten Jahren immer häufiger erlebt hat, können die Folgen sein.

Ob es angesichts dieser Bedrohungen reicht, die im Kioto-Protokoll festgelegten Ziele zu erreichen, ist zweifelhaft. Klaus Töpfer, Chef der UN-Umweltorganisation Unep und früherer deutscher Umweltminister, äußert sich mit seinem Bericht GEO 2000 skeptisch. Alles weise darauf hin, dass es zu spät ist, um die globale Erwärmung zu stoppen.

Die grundsätzliche Frage, ob die Kioto-Ziele reichen, steht auf der gestern begonnenen Konferenz aber gar nicht mehr auf der Tagesordnung. Diskutiert wird nur noch über die technischen Details der ausgehandelten Vereinbarung, besonders die sogenannten „flexiblen Mechanismen“. Damit gemeint sind drei verschiedene Verfahren, mit denen Verminderungen erreicht werden können. Die drei sind: Joint Implementation (JI), der Clean Development Mechanism (CDM) und der Handel mit Emissionsrechten. Die JI findet zwischen den Industrieländern statt: Investiert beispielsweise eine deutsche Firma in Spanien in ein Solarkraftwerk, hat sie geholfen, Emissionen zu sparen. Dies könnte dann auf die deutschen Verpflichtungen angerechnet werden.

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert Clean Development (saubere Entwicklung), allerdings zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Bei beiden Mechanismen gibt es Probleme: Wie werden die Einsparungen angerechnet? Sind es die Gesamtemissionen des Landes, in dem das neue Kraftwerk gebaut wurde? Oder ein Kraftwerk der gleichen Leistung, dass aber mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen arbeitet? Ungeklärt ist ebenfalls, wie damit umgegangen werden soll, wenn ein Land neben diesen umweltfreundlichen Maßnahmen anderswo Dreckschleudern baut.

Der dritte Mechanismus ist der Handel mit Emissionsrechten, Danach können beispielsweise Firmen in Entwicklungsländern, die noch viel verschmutzen dürfen, aber mangels Industrie nicht können, diese Rechte an ein Industrieland verkaufen, dass sich nicht mehr viel leisten darf.

Regierungsunabhängige Organsiationen wie World Wide Fund for Nature (WWF), Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und andere werfen den Industrieländern vor, sich auf diese Weise von eigenen Anstrengungen freikaufen zu wollen. Besonders die USA bestehen darauf, sich umfassend freikaufen zu dürfen.

Die EU vertritt im Gegensatz dazu die Auffassung, dass mindestens die Hälfte der Verpflichtungen über Maßnahmen im eigenen Land erreicht werden müssen. Diese „Deckelung“ ist eines der Hauptthemen der diesjährigen Konferenz. Darüber hinaus verhandeln die Konferenzteilnehmer auch über Sanktionsmaßnahmen, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und darüber, wie eine Umsetzung überhaupt überprüft werden kann.

Sollten sich die Teilnehmer der Konferenz bis zum Ende der nächsten Woche einigen, ist der Weg frei für die zentrale nächste Konferenz, die sogenannte COP6, und damit für die Verabschiedung und das baldige Inkraftreten. Angesichts der harten Position der USA, die massive wirtschaftliche Konsequenzen fürchten, ist ein positiver Ausgang unwahrscheinlich. Schon jetzt ist klar, dass die COP6 wegen der US-Wahlen wohl nicht im November 2000 in Den Haag stattfindet, sondern auf das Frühjahr 2001 verschoben wird.