Jubel für entlassene Häftlinge

Israel entlässt in einer zweiten Amnestierunde 151 Palästinenser aus den Gefängnissen. In ihren Heimatorten werden sie mit Freudentränen empfangen  ■   Aus Ramallah Susanne Knaul

Mit Schokoladenbonbons und Marschmusik, mit hupenden Autos und Schusssalven sind gestern die palästinensischen Sicherheitshäftlinge in ihren Heimatorten empfangen worden, die in einer zweiten Amnestiegruppe von Israel freigelassen wurden. Ihre Amnestierung wurde im Abkommen Sharm-el-Sheikh vereinbart.

Insgesamt 151 Häftlinge wurden auf freien Fuß gesetzt, darunter sind mehr als 40 Männer aus Ägypten, Jordanien und dem Libanon. Zum ersten Mal ließen die israelischen Sicherheitskräfte auch Angehörige der islamischen Organisationen Hamas und Djihad frei. Viele standen indes ohnehin kurz vor Ablauf ihrer Strafzeit.

Vor einer Woche haben wir erfahren, dass mein Sohn auf der Liste steht“, sagt Abu Samir. Seine Tochter sei eigens aus Jordanien angereist, um ihren Bruder zu sehen. Als der Bus mit den Häftlingen auf dem Polizeigelände von Ramallah einfährt, geht der alte Mann langsam hinter der aufgeregten Menge her. Es dauert einige Minuten, bis er seinen Sohn findet. Beide weinen, als sie sich in die Arme nehmen und immer wieder küssen.

Der entlassene Samir Ladawje war 17 Jahre alt, als er vor mehr als zehn Jahren hinter Gitter kam. Die Richter sprachen ihn für zwei Morde an angeblichen palästinensischen Kollaborateuren für schuldig. Samir gibt zu, die beiden umgebracht zu haben. „Wir waren damals eine Gruppe von Fatach-Aktivisten“, sagt er. „Ich bin der Letzte, der entlassen wird.“ Die anderen waren schon bei früheren Amnestien auf freien Fuß gekommen. Im Gefängnis sei es „sehr schlimm“ gewesen, vor allem in den vergangenen Monaten seien immer wieder nächtliche Durchsuchungen der Zellen vorgenommen worden. „Das Schlimmste sind die Inspektionen, bei denen wir uns völlig ausziehen mussten.“

Die meisten der gestern entlassenen Palästinenser hatten wegen Mordes an Palästinensern hinter Gittern gesessen. Die israelischen Bestimmungen sehen vor, dass Häftlinge, die „arabisches Blut an den Händen haben“ unter die Amnestie fallen würden, während die Mörder von Juden erst einmal nicht entlassen werden. „Solange unsere Brüder Gefangene bleiben, wird es niemals Frieden geben“, sagt Samir auf die Frage, was er von den Bestimmungen hält.

In Samirs Elternhaus, im Flüchtlingslager El Amari, drängen sich immer mehr Nachbarn in die Wohnung. Nichten und Neffen lassen sich willig von ihrem Onkel küssen. Samir ist der Held der Familie. Was er jetzt tun will? „Ein neues Leben beginnen und schnell eine Arbeit finden.“ Heiraten soll er, sagt seine Mutter, die vor Freude schrille Triller ausstößt.