Neuer Gigant am Rüstungshimmel

■  Konkurrenz für Lockheed/Martin: Die französische Aerospatiale-Matra und die deutsch-amerikanische Dasa wollen die neue Nummer zwei in der Luft- und Raumfahrt werden

Berlin (taz/rtr/dpa) – Mit der Fusion der DaimlerChrysler-Tochter Dasa und dem französischen Konzern Aerospatiale stößt die europäische Luftfahrtindustrie in die unmittelbare Weltspitze vor.

Unter den Augen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Frankreichs sozialistischem Premierminister Lionel Jospin definierten die Konzernchefs gestern in Straßburg ihre globale Rolle neu: Bei Zivilflugzeugen bekleide die neue European Aeronautic Defense an Space Company, abgekürzt EADS, Rang 2 auf der Weltrangliste, erklärte DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp. Kein anderer Konzern stelle mehr Hubschrauber her, ergänzte Jean-Luc Lagardere, der dem Aufsichtsrat von Aerospatiale vorsteht.

Die Aufzählung der Superlative nahm kein Ende: EADS sieht sich als Weltmarktführer bei Raumfahrtraketen, zum Beispiel vom Typ Ariane. Und man feiert sich als „global führender Anbieter bei Satelliten, Militärflugzeugen und Verteidigungstechnik“.

Nach den Fusionen in der US-amerikanischen Luftfahrtindustrie, vornehmlich von Boeing und McDonell/Douglas, soll das neue Unternehmen dem Weltmarktführer Boeing Paroli bieten. Die europäischen Firmen Dasa, Aerospatiale, British Aerospace und die spanische Casa kooperierten bislang im Airbus-Konsortium bei der Produktion einer ganzen Familie von Passagierflugzeugen. Obwohl Airbus dem Konkurrenten Boeing immer mehr Aufträge für Zivilflugzeuge abjagte, war den Konzernchefs und auch den nationalen Regierungen klar, dass der lockere Zusammenschluss auf Dauer gegen den US-Konzern nicht bestehen könne – sie bemühen sich seit Jahren um die Gründung eines einheitlichen Unternehmens.

Bislang versucht jedoch jede der beteiligten Firmen noch, sich selbst die beste Ausgangsposition für die Fusion zu verschaffen. Erst liebäugelte die Dasa mit der britischen Aerospace und düpierte damit die französische Regierung, die bei Aerospatiale das Sagen hat. Dann wandten sich die Briten doch lieber dem italienischen Rüstungsproduzenten Marconi zu und ließen die Deutschen stehen.

Nun scheint sich abzuzeichnen, dass EADS zum Kern der lange erwarteten europäischen Luftfahrtfusion wird. Die Dasa kündigte gestern bereits an, auch die spanische Casa in den neuen Konzern hineinholen zu wollen. Und nach Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf (SPD), finden auch schon Gespräche über eine britische Beteiligung statt. Politische Hindernisse für den geplanten Zusammenschluss der DaimlerChrysler Aerospace (Dasa) und ihrer französischen Konkurrentin Aerospatiale Matra sieht Mosdorf nun nicht mehr.

Die EADS soll zu 60 Prozent von einer Holding kontrolliert werden, 40 Prozent der Anteile würden an die Börse gebracht, teilte DaimlerChrysler mit. Gesellschafter der Holding seien zu gleichen Teilen die DaimlerChrysler AG und die französische Seite, die sich aus Lagardere, einer privaten Finanzinstitution, und dem französischen Staat zusammensetze. Der französische Staat reduziere seinen Anteil durch die Platzierung von Aktien auf 15 Prozent. Der Staatsbesitz hatte als größtes Hindernis für ein Zusammenrükken von Dasa und Aerospatiale gegolten. Dasa-Sprecher Rainer Ohler erklärte, die Fusion werde keinen Stellenabbau mit sich bringen: Die Fähigkeiten der Daimler-Chrysler Aerospace und der Aerospatiale-Matra seien „sehr komplementär“; beide Konzerne praktizierten bereits „seit Jahrzehnten eine Arbeitsteilung“.

Die Fusion der Konzerne erhöht nach Ansicht des Hamburger Wirtschaftssenators Thomas Mirow (SPD) die Chancen für den geplanten Großraum-Jet A3XX. „Der Zusammenschluss von Dasa und Aerospatiale ist eine hoch erfreuliche Nachricht“, sagte Mirow. Die deutsch-französische Zusammenarbeit werde in einem konkreten, großen Projekt weiter gestärkt. Ermutigt durch die Entscheidung der Unternehmen werde Hamburg mit allem Nachdruck die Voraussetzungen schaffen, um sich erfolgreich für die Endlinienfertigung des A3XX zu bewerben. Der Super-Airbus ist eine der Projekte mit denen die europäischen Konzerne an Boeing vorbeiziehen wollen. koch