Jüdische Gräber zum Tag der Einheit verwüstet

■ ber hundert Grabsteine auf größtem jüdischem Friedhof Europas beschädigt

Berlin (taz) – Unbekannte haben den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee verwüstet. Die Täter warfen mindestens 103 Grabsteine um. Die meisten zerbrachen durch die Gewalteinwirkung, einige zersplitterten regelrecht. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, sprach von „irreparablen Schäden“. Am Denkmal für die deportierten Juden im Bezirk Tiergarten seien ebenfalls Hakenkreuz-Schmierereien entdeckt worden, teilte die Polizei mit. Der Staatsschutz ermittelt, ob zwischen den Anschlägen ein Zusammenhang besteht.

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde wurden die Grabsteine zwischen Freitagabend und Montagmorgen umgeworfen. Farbschmierereien waren nicht zu sehen. Auch ein Bekennerschreiben lag gestern nach Polizeiangaben nicht vor.

Nachama sagte, die Jüdische Gemeinde habe die Nachricht mit „großer Bestürzung und Abscheu“ aufgenommen. Er kritisierte, dass die Täter bei Friedhofsschändungen fast nie gefasst würden. Vor den Friedhofstoren forderte er „null Toleranz mit den Friedhofsschändern“. Alle Berliner seien aufgerufen, „so etwas unmöglich zu machen“. Die innenpolitische Sprecherin der PDS im Abgeordnetenhaus, Marion Seelig, nannte die Vorfälle ein „bestürzendes Zeichen dafür, wie virulent der Antisemitismus immer noch ist“. Innensenator Eckart Werthebach sagte hingegen, er könne sich „viele Tatzusammenhänge vorstellen“. Über eine Verbindung zum Tag der deutschen Einheit wollte Werthebach nicht spekulieren.

Ein Großteil der zerstörten Gräber war in den Jahren zwischen 1940 und 1955 angelegt worden, viele davon gegen Ende des „Dritten Reichs“. Insgesamt sind auf dem 1880 gegründeten Friedhof 115.000 Tote begraben. Auf dem 43 Hektar großen Gelände liegen auch die Gräber des Verlegers Rudolf Mosse und des von den Nazis ermordeten Kommunisten Herbert Baum. Nach Angaben der Jüdischen Gemeinde handelt es sich um den größten jüdischen Friedhof in Europa.

Andreas Spannbauer