Als zwei Bolivianer um ihre Tantiemen betrogen wurden

Immer noch nicht gut drauf sind in diesen Tagen die Brüder Gonzalo und Ulises Hermosa. Während in jeder europäischen Diskothek, ob in den Tanzhäusern am Mittelmeer oder am finnischen Polarkreis, exzessmäßig Lambada getanzt wird, sitzen die beiden Musiker in ihrer bolivianischen Heimat, in der Stadt Cochabamba, beisammen und haben den Schock noch nicht überwunden. Und dann auch noch dieses Video. Zum Heulen.

Es ist schon einige Tage her, dass ihr Bekannter Mario Agreda aufgeregt aus Europa die beiden, aber auch die Regierung von dem Megaerfolg der Gruppe Kaoma mit ihrem Song „Lambada“ unterrichtete. Der Song sei der Sommerhit. Mehr als vier Millionen Mal wurde „Lambada“ schon verkauft, das Wort bedeutet Peitschenhieb. Hier in Bolivien hatte man vom Lambadafieber bisher nichts gemerkt.

Die Geschichte des Songs begann 1981. Da komponierten die Hermosas, die zusammen mit ihrem Bruder Elmer die Folkloreband „Los Kjarkas“ bilden und im Siebenmillionenland sehr beliebt sind, ein Lied namens Llorando se fue, was so viel heißt wie „Weinend ging sie fort“. Die Brüder ließen den Schlager bei einer bolivianischen Plattenfirma in kleiner Auflage pressen. Anschließend passierte nichts, außer dass sich das Lied im Rhythmus des so genannten indianischen Sayatanzes schlecht verkaufte, aber immerhin der brasilianischen Sängerin Marcia Ferreira so gut gefiel, dass sie es 1987 unter dem namen Chorando se foi intonierte. Ihre Interpretation ließ aber alle kalt.

Über den weiteren Verlauf können die Brüder nur spekulieren. Sie vermuten, dass die beiden französischen Produzenten von Lambada,Jean Karakos und Oliver Lorsac, irgendwann den Song noch einmal aufgenommen haben, ohne dessen bolivianische Schöpfer zu erwähnen. Interpretiert diesmal von der brasilianischen Gruppe Kaoma und mit geändertem portugiesischem Text. Noch dazu unter Hinweis, dass das Original von einem Herrn namens Chico de Oliveira komponiert wurde.

Und jetzt? Jetzt rüttelt und schüttelt sich Europa inklusive DDR zu dem Stück in Trance, der doch eigentlich aus der Feder der beiden Brüder stammt. „Das Lied ist uns gestohlen worden“, ist sich Tito Hoz de Vila, Abgeordneter des bolivianischen Parlaments, sicher. Da ist es heute nur ein schwacher Trost, dass die Brüder Hermosa mit Unterstützung der Tantiemenfirma Gema und der um Steuergelder betrogenen Regierung Boliviens, eines der ärmsten Länder Südamerikas, inzwischen 140.000 Dollar als Schadensersatz und für die Urheberrechte gerichtlich erstritten haben. Morgen, so viel wissen die beiden Brüder, müssen sie wieder in ihrer Akademie für bolivianische Folkloremusik arbeiten. Enno Bolten