Ist da was dran, Fonty?

■ Günter Grass' Roman „Ein weites Feld“ – die ersten Zeilen

Wir vom Archiv nannten ihn Fonty; nein, viele, die ihm über den Weg liefen, sagten: „Na, Fonty, wieder mal Post von Friedlaender? Und wie geht's dem Fräulein Tochter? Überall wird von Metes Hochzeit gemunkelt, nicht nur auf dem Prenzlberg. Ist da was dran, Fonty?“

Selbst sein Tagundnachtschatten rief: „Aber nein, Fonty! Das war Jahre vor den revolutionären Umtrieben, als Sie Ihren Tunnelbrüdern bei Funzellicht was Schottisches, ne Ballade geboten haben ...“

Zugegeben: es klingt albern, wie Honni oder Gorbi, dennoch muss es bei Fonty bleiben. Sogar seinen Wunsch nach dem abschließenden Ypsilon müssen wir mit einem hugenottischen Stempel beglaubigen. Seinen Papieren nach hieß er Theo Wuttke, weil aber in Neuruppin, zudem am vorletzten Tag des Jahres 1919 geboren, fand sich Stoff genug, die Mühsal einer verkrachten Existenz zu spiegeln, der erst spät Ruhm nachgesagt, dann aber ein Denkmal gestiftet wurde, das wir, mit Fontys Worten, „die sitzende Bronze“ nannten.

Ohne Rücksicht auf Tod und Grabstein, eher angestoßen vom ganzfigürlichen Monument, vor dem er als Kind oft allein und manchmal an des Vaters Hand gestanden hatte, übte sich schon der junge Wuttke – sei es als Gymnasiast, sei es in Luftwaffenblau – so glaubhaft ein bedeutendes Nachleben ein, dass der bejahrte Wuttke, dem die Anrede „Fonty“ seit Beginn seiner Vortragsreisen für den Kulturbund anhing, eine Fülle von Zitaten auf Abruf hatte. (...)

Er sprach von „meiner sattsam bekannten Birnenballade“ von „meiner Grete Minde und ihrer Feuersbrunst“, und immer wieder kam er auf Effi als seine „Tochter der Lüfte“. Dubslav von Stechlin und die aschblonde Lene Nimptsch, die gemmengesichtige Mathilde und die zu blass geratene Stine, nebst Witwe Pittelkow, Briest in seiner Schwäche, Schach, wie er lächerlich wurde, der Förster Opitz und die kränkelnde Cécile, sie alle waren sein Personal. Nicht etwa zwinkernd, sondern durchlebter Leiden gewiss, klagte er uns seine Fron als Apotheker zur Zeit der achtundvierziger Revolution, sodann die ihm missliche Lage als Sekretär der Preußischen Akademie der Künste – „Bin immer noch kolossal schlapp und nervenrunter“ –, um gleichwegs von jener Krise zu berichten, die ihn fast in eine Heilanstalt gebracht hatte. Er war, was er sagte, und die ihn Fonty nannten, glaubten ihm aufs Wort ...“

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Steidl Verlags