■ Der russische Krieg gegen Tschetschenien eskaliert
: Der Weg zum Erfolg

Die tschetschenische Hauptstadt Grosny werde so lange bombardiert, bis der letzte Terrorist vernichtet sei, hat der russische Ministerpräsident Putin verkündet. Das wäre sinnvoll, wenn Putin davon ausginge, die Terroristen hätten sich in Grosny versammelt. Aber auch die russische Regierung weiß, dass das Quatsch ist. Sollen die Terroristen aus der Luft getötet werden, müsste Putin flächendeckend nicht nur den ganzen Nordkaukasus bombardieren, sondern auch russische Großstädte wie Moskau.

Die Berufung auf den Kosovo-Krieg ist auch in anderer Hinsicht schief: Als die Nato Serbien bombardierte, ging sie von zwei Vorstellungen aus – einer realistischen und einer unrealistischen. Realistisch war die Annahme, dass Miloševic sein Land im Griff habe, unrealistisch, dass ihm das Wohlergehen seines Landes am Herzen liege. Über diesen Irrtum hätte die Nato beinahe den Krieg verloren. Im Falle Tschetscheniens weiß auch die russische Regierung, dass Präsident Maschadow kaum noch etwas im Griff hat, vor allem nicht Schamil Bassajew und seine frommen Krieger. Sie werden sich durch die Bombardierung Grosnys von nichts abhalten lassen.

Der Truppenaufmarsch an der tschetschenischen Grenze wird als Drohung präsentiert. Aber einem so chaotischen, zerstörten und armen Land wie Tschetschenien kann niemand mehr drohen. Einzig plausibler Grund des Aufmarschs ist die Invasion.

Die russische Armee ist für einen konventionellen Krieg gerüstet. Auf einen Guerillakrieg ist sie trotz ihrer Erfahrungen in Afghanistan und in Tschetschenien nicht vorbereitet. Armeen aber, die in dieser Weise hilflos sind, tendieren zum Terror gegen Zivilisten; denn sie unterstellen ihnen zu Recht, dass sie nicht mit den Invasoren sympathisieren. Die russische Armee steht damit vor einer Alternative: Entweder wird sie nach ihrem Einmarsch, wie in Afghanistan, gedemütigt und demoralisiert. Oder sie umgeht die offenkundige Niederlage, indem sie die Tschetschenen tötet. Wer jetzt aus dem verwüsteten Lande flieht, weiß, dass er um sein Leben rennt.

Die ungereimten Ankündigungen der russischen Regierung zeigen nur, dass die Stimmung in Russland so aufgeheizt ist, dass die einfachsten Plausibilitäten keine Rolle mehr spielen. Es geht offenbar darum, die Empörung über die blutigen Attentate der letzten Monate in eine Unterstützung der gegenwärtigen Führung umzumünzen. Mit dieser Strategie könnte Putin sogar Erfolg haben. Erhard Stölting

Der Autor ist Professor für Soziologie in Potsdam